© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/12 02. März 2012

Hinter den Kulissen brodelt es gewaltig
Vorwahlen der US-Republikaner: Kurz vor dem Super-Tuesday ist die konservative Basis verunsichert und sucht schon nach Alternativen
Ralph Schoellhammer

Die amerikanischen Konservativen haben es nicht leicht: Stolz auf ihre Prinzipientreue und ein klar strukturiertes Weltbild, können sie sich einfach nicht einig werden, wen man gegen Barack Obama ins Rennen schicken soll. „Welcher dieser Clowns soll Obama besiegen?“ fragt die sonst republikaner-freundliche National Post. Vor dem wegweisenden Super-Tuesday der Vorwahlen wird die Spaltung des republikanischen Lagers immer deutlicher. Die verbliebenen vier Kandidaten versuchen zwar zunehmend, sich gegenseitig rechts zu überholen, doch jeder hat mit Glaubwürdigkeitsproblemen zu kämpfen.

Der ehemalige Gouverneur von Massachusetts Mitt Romney galt lange Zeit als der Kompromißkandidat, der dank seiner Erfahrung als Gründer der Investmentfirma Bain Capital einen auf wirtschaftliche Themen zugeschnittenen Wahlkampf führen könnte. Doch der Ruf als Anpacker mit dem Zeug zum Ankurbeln der siechen Konjunktur bröckelt zusehends: Zu kompromißbereit war Romney schon als Gouverneur, wo er gemeinsam mit der demokratischen Legislative Reformen im Gesundheitsbereich durchführte, die der aktuellen Regierung als Blaupausen für Obamacare dienen. Noch schwerer wiegen Romneys liberale Positionen zur Gesellschaftspolitik: Bei Fragen zu Abtreibung, Immigration oder der Homoehe scheint er sich mehr an aktuellen Umfragen als an einer tiefsitzenden Überzeugung zu orientieren. Vor allem sein schärfster Konkurrent, Rick Santorum, treibt Romney bei diesen Themen vor sich her.

Die religiös-konservativen Wähler, ohne deren Unterstützung kein Republikaner zur Präsidentschaftswahl antreten kann, mißtrauen der erst kürzlich entdeckten Vorliebe Romneys für strengere Abtreibungsgesetze oder verstärkte Grenzkontrollen. Vielen stößt noch immer eine Bemerkung sauer auf, als Romney unumwunden zugab, illegale Einwanderer anzustellen – und diese Praxis erst aufgab, als klar wurde, daß er kandidieren würde. Wie stark dieses Mißtrauen ist, zeigt sich in den Vorwahlen, wo ihm die streng konservative Elite zusehends die Gefolgschaft versagt.

Die privat finanzierten Wahlkampagnen dieser Gruppe versuchen in erster Linie, den „Anti-Romney“ zu finden, und nachdem Michele Bachmann, Rick Perry, Herman Cain und wahrscheinlich auch Newt Gingrich in dieser Rolle gescheitert sind, setzen sie ihre Hoffnungen nun auf den katholischen Hardliner Rick Santorum. Der ehemalige Senator aus Pennsylvania wird jedoch erst seit kurzem als religiöser Extremist verschrien. Seine ablehnende Haltung gegenüber Homosexualität und Empfängnisverhütung, seine Haltung zur Trennung von Kirche und Staat gelten im konservativen Amerika als Mainstream. Damit sichert er sich zwar die Basis, aber er wird im November kaum bei Wechselwählern, Frauen oder Minderheiten punkten können – was ihn zum Wunschgegner Obamas macht.

Ohne die ideologisch ungefestigte Mitte ist in den USA keine Präsidentschaftswahl mehr zu gewinnen, weshalb die Vorwahlen immer mehr zur Bürde für die Republikaner werden. Das momentane System ist praktisch ein Auswahlverfahren am rechten Rand, dessen Ergebnis nur schwer mit einer Mehrheit im Land in Einklang zu bringen ist. Die gemäßigten Positionen Romneys machen ihn momentan zum einzig gefährlichen Herausforderer Obamas.

Mit dem Ausbrennen der Kampagne von Newt Gingrich und dem nicht mehrheitsfähigen libertären Dauerkandidaten Ron Paul gehen den Republikanern die Alternativen aus. Selbst wenn Romney die Vorwahlen für sich entscheiden sollte, mehren sich die Zweifel innerhalb der Partei, ob er zur notwendigen Wählermobilisierung fähig ist.

Nicht zuletzt deshalb wird hinter den Kulissen hektisch über die Aufstellung neuer Kandidaten diskutiert. Einige vielversprechende Namen werden gehandelt, zum Beispiel Mitch Daniels, Gouverneur von Indiana, der sich in seinem Bundesstaat besonders durch einen radikalen Sparkurs einen Namen gemacht hat. Selbst eine Überraschungskandidatur von Jeb Bush, ehemaliger Gouverneur von Florida und Bruder von George W., wird nicht mehr ausgeschlossen.

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