© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/12 02. März 2012

Lockerungsübungen
Griechenland entwaffnen
Karl Heinzen

Als Mitglied des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages trägt der SPD-Abgeordnete Michael Groschek eigentlich nur für die Bundeswehr Verantwortung. In einem Gespräch mit der Rheinischen Post hat er jedoch zu verstehen gegeben, daß er sich auch für die Streitkräfte Griechenlands zuständig fühlt. Sie sind, so sein Expertenurteil, überdimensioniert und viel zu teuer. Bei einer Einwohnerzahl von nur elf Millionen leiste sich Griechenland eine Armee mit 140.000 Soldaten, denen 400 Kampfpanzer, 14 Fregatten, neun U-Boote und 300 Kampfflugzeuge zur Verfügung stünden. Ihr Unterhalt nehme Jahr für Jahr drei bis vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Anspruch. Deutschland mit seinen knapp 80 Millionen Einwohnern werde sich hingegen in Zukunft mit 185.000 Soldaten begnügen und sein Waffenarsenal auf 225 Kampfpanzer, 11 Fregatten, sechs U-Boote und 225 Kampfflugzeuge reduzieren. Der Finanzbedarf dieser Streitkräfte dürfte weiterhin 1,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht übersteigen.

Qua seines eigentlichen Mandats hätte Groschek die Frage aufwerfen müssen, wie es den Griechen gelingt, für eine besser ausgerüstete Armee insgesamt deutlich weniger Geld auszugeben als die Deutschen für ihre Streitmacht. Er zieht es jedoch vor, unter der Vorspiegelung der Besorgnis um die fiskalische Stabilität in Europa den chauvinistischen Vorschlag zu lancieren, Athen auch verteidigungspolitisch an die Kandare zu nehmen: Für die griechischen Militärausgaben gebe es keine rationale Begründung, sie seien vielmehr das Resultat von Türken-Phobie und Korruption. Folglich darf es als legitim angesehen werden, hier von Brüssel oder Berlin aus auf eine Korrektur zu drängen.

Im 20. Jahrhundert sind deutsche Abrüstungsinitiativen für die übrigen Staaten Europas stets ein Alarmsignal für bevorstehende Aggressionen gewesen. Die Griechen sind geschichtsbewußt genug, um dies nicht vergessen zu haben. Sie müssen damit rechnen, daß die Euro-Retter sich über kurz oder lang nicht mehr damit begnügen dürften, Zahlenwerke zu prüfen, sondern versuchen werden, die Konsolidierung durch eine militärisch abgesicherte Reformdiktatur unter einem Hohen Kommissar der EU zu erzwingen. Nach dem Ende des Afghanistan-Einsatzes würde auch die Bundeswehr hierzu ihren Beitrag leisten können.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen