© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/12 09. März 2012

Abzocke ist nicht nur in der Politik verbreitet
Eine unendliche Geschichte
Herbert Ammon

Bei vielen Themen ist das Private vom Politischen einfach nicht zu trennen, zum Beispiel das juristische Gutachten des Bundespräsidialamtes für den Ehrensöldner Wulff. Demnach war der Rücktritt politisch, auch wenn es um Privatkredite fürs Eigenheim und von Freunden vorfinanzierte Privaturlaube ging – private Dinge, bei denen Wulff nach eigenen Worten als Mensch „nicht alles richtig“ gemacht hatte. Am Tag, da auch die Haushaltsexperten im Bundestag einstimmig den Ehrensold für in Ordnung befanden, wurde das Eigenheim in Großburgwedel von Ermittlern durchsucht. Da kennt selbst Spiegel Online nur noch „Deutsche“ (sonst nur „Menschen“), die den „Verzicht auf Ehrensold fordern“.

Nur kurz ein politisches Thema: der sunnitische Aufstand in Syrien, für Hillary, nicht für Putin, eine lupenreine demokratische Erhebung. Warum zögert Bernard-Henri Lévy, bei Sarkozy auf Intervention zu dringen? Wahlkampf. In der Tat: Der „rechte“ Sarko wird von Beate Klarsfeld unterstützt, Kandidatin „unserer“ Linkspartei. Da wird’s in der Bundesversammlung noch richtig spannend: Was, wenn Klarsfeld nicht alle „linken“ Stimmen kriegt? Wie könnte Ulla Jelpkes Antifa-Riege eine „exemplarische Deutsche“ wählen?

Ist es politisch, wenn der Kolumnist den Winter für zu kurz befindet? Ist es politisch, daß in einer extrem kalten Februarnacht das außen wie innen denkmalgeschützte Rathaus Friedenau, zur Aufbesserung der Berliner Finanzen zum Verkauf vorgesehen, mutmaßlich im Auftrag kühl kalkulierender Bauträger von oben nach unten unter Wasser gesetzt wurde?

Zuletzt, völlig unpolitisch: Was tut der planetarische EU-Bürger, wenn die digitale Welt, Telefon und Internet, zusammenbricht? Telekom-Hotline: Wir bitten um Geduld, dröhnende Bässe, Gedudel. Endlich: Darf das Gespräch zu Beratungszwecken aufgezeichnet werden? Beratungsergebnis: Ihre Anlage ist veraltet, eine neue gibt’s bei der Telekom. Waren Sie mit der Beratung zufrieden? Zum rosa T-Punkt, Vertrag; Komplettanlage kommt per Post in etwa zwei Wochen! Der Kolumnist, ratlos, ruft den PC-Nothelfer an. Zwei Handgriffe, die Anlage ist wieder in Ordnung. Klar, man wollte abzocken.

Frage: Gibt es zum Abzocken Alternativen? Nein, es gehört zum Alltag. Ganz wie die unendliche Griechenland-Rettung.

 

Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin.

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