© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/12 09. März 2012

Geschundene Seele
Liberale: Vor den Landtagswahlen geht in der FDP die Angst vor dem Scheitern um
Michael Martin

Wenige Wochen vor den Landtagswahlen im Saarland (25. März) und Schleswig-Holstein (6. Mai) ist das etablierte deutsche Parteienspektrum in Bewegung geraten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier, hat jüngst mit Gedankenspielen über eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen für Aufsehen gesorgt. Nach dem Votum der Liberalen für den von Sozialdemokraten und Grünen vorgeschlagenen Bundespräsidentenkandidaten Joachim Gauck sehe er eine Chance für eine solche Koalition nach der Bundestagswahl 2013. Er wolle das FDP-Verhalten bei der Einigung zwar „nicht zu hoch bewerten“, sagte er im Deutschlandfunk. „Aber ich sage mir: Warten wir mal ab, was sich da tut“, ergänzte Steinmeier.

Solche Aussagen sind Balsam für die geschundene liberale Seele. Allzu deutlich hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in den vergangenen Wochen ihre Sympathien für eine große Koalition durchblicken lassen. Im Saarland, wo nach dem Bruch der Jamaika-Koalition Neuwahlen anstehen, ist man schon einen Schritt weiter. Dort haben sich SPD und CDU bereits vor der Wahl auf ein Bündnis festgelegt, die krisengeschüttelte FDP dürfte sich bei derzeit vorhergesagten zwei Prozent demnächst in der außerparlamentarischen Opposition wiederfinden.

Die saarländische Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ist das neue Lieblings-Feindbild der FDP. Und so werden führende Saar-Liberale nicht müde, darauf hinzuweisen, daß die Zusammenarbeit im Dreierbündnis vor allem mit den Grünen doch gut geklappt habe: „Wir sind nicht mehr mit der CDU verheiratet“, sagte der saarländische FDP-Vorsitzende Oliver Luksic nach dem Coup bei der Bundespräsidentenkür. Doch seine Hoffnung, die schwächelnde FDP könnte von ihrer demonstrierten Selbständigkeit profitieren, scheint zu trügen.

Deutschlandweit verharren die Liberalen bei drei Prozent, ähnlich sieht das Bild im Saarland und in Schleswig-Holstein aus. Mit dem Rücken zur Wand probten führende Parteifunktionäre in den vergangenen Wochen den Aufstand gegen Merkel und die CDU. Der stellvertretende Partei-Vorsitzende Holger Zastrow machte im Focus deutlich, daß die Liberalen auch künftig ein unbequemer Koalitionspartner bleiben wollten: „Die Zeiten, in denen wir alles ängstlich abgesegnet haben, sind vorbei.“ Ähnlich äußerte sich Niedersachsens FDP-Wirtschaftsminister Jörg Bode: „Philipp Rösler muß Angela Merkel ja nicht mit Samthandschuhen anfassen.“

Die Union hält den Eklat bei der Kandidatenkür daher für noch nicht abgehakt. „Die Frage des anständigen Umgangs in der Koalition gehört auf die Tagesordnung beim Koalitionsausschuß“, sagte CSU-Landesgruppengeschäftsführer Stefan Müller dem Spiegel. „Unsere Wähler erwarten, daß wir solide politische Arbeit leisten. Damit hatte das Verhalten der FDP bei der Präsidentenkür nichts zu tun.“ Innerhalb der FDP hält man es nicht für ausgeschlossen, daß Merkel es der saarländischen CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer gleichtun und den Sozialdemokraten Verhandlungen über eine Große Koalition anbieten könnte. Zumal die Situation bei der FDP unübersichtlich war und ist. Wurde Wahlsieger und Außenminister Guido Westerwelle aufgrund einer Talfahrt bei Abstimmungen und Umfragen aus dem Amt gemobbt, so stehen die Zeichen auch für seinen Nachfolger Rösler mittlerweile auf Sturm. Schleswig-Holsteins FDP-Chef Wolfgang Kubicki macht die Führung der Bundespartei für das Umfragetief der Liberalen in seinem Bundesland verantwortlich. „90 Prozent der Verluste, die wir seit der Wahl hatten, gehen darauf zurück, daß die Marke FDP durch unser Verhalten in Berlin an Ansehen eingebüßt hat“, sagte er der Bild-Zeitung. Politische Ämter seien keine Ausbildungsbetriebe. Immerhin glaubt auch Kubicki an einem „Gauck-Effekt“. „Er wird in wenigen Wochen einsetzen. Wenn die Bundespartei jetzt in den Meinungsumfragen zulegt, wird das uns im Landtagswahlkampf erheblich helfen. Wir können zwischen neun und elf Prozent erreichen“, sagte
er der B.Z.

Sollte dies nicht der Fall sein, wird Kubicki den Schwarzen Peter nach Berlin weitergeben. Dort ist man bemüht, den kriselnden Verbänden zur Seite zu stehen. Die saarländische FDP, die sich über Monate auch ohne „Bundeshilfe“ selbst zerlegte, erhält auffallend großzügige finanzielle Unterstützung durch die Bundespartei. Der junge Spitzenkandidat Oliver Luksic, ein enger Weggefährte von Gesundheitsminister Daniel Bahr, soll die Partei möglichst nah an die Fünfprozenthürde führen. Mit Rückenwind soll dann in Schleswig-Holstein der Befreiungsschlag gelingen. Sollte der mißlingen, dürfte das Frühjahr sehr ungemütlich für Rösler und Co. werden.

Foto: Wahlkampfmaterial der FDP: „Wir sind nicht mehr mit der CDU verheiratet“

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