© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/12 09. März 2012

Kandidatin aus Verlegenheit
Bundesversammlung: Die Nominierung Beate Klarsfelds für das Amt des Bundespräsidenten stößt auf der Linken nicht nur auf Zustimmung
Paul Leonhard

Es ist in diesen Tagen schwierig, Beate Klarsfeld, der Kandidatin der Linken für das Bundespräsidentenamt, auszuweichen. Das bekam unlängst der Präsident des Bundes-nachrichendienstes (BND), Gerhard Schindler, zu spüren. Wie die Deutsche Presseagentur berichtete, saß dieser im Berliner Politikertreff Café Einstein mit einer Parlamentarierin zusammen, als er von Klarsfeld entdeckt wurde. Die 73jährige witterte sofort ihre Chance für ein medienwirksames Spektakel. Über ihre Sprecherin soll sie Schindler um ein sofortiges Gespräch gebeten haben. Die Bundestagsabgeordnete intervenierte. Zwar soll der BND-Chef gar nicht zu Wort gekommen sein, aber Klarsfeld hatte ihren Skandal. Linksfraktionschef Gregor Gysi lud prompt gemeinsam mit ihr zur Pressekonferenz. Es sei ein „ungeheurer Skandal“, daß Schindler sich geweigert habe, die Präsidentschaftskandidatin seiner Partei zu begrüßen. Schindler müsse sofort entlassen werden. Die Wogen glätteten sich erst, als dieser sich nach Angaben der Linken „eindringlich persönlich bei Beate Klarsfeld entschuldigt“ hatte.

Wahrscheinlich hatte der BND-Chef Glück gehabt, daß er sich im Café Einstein nicht nach der Begegnung mit der Kandidatin an die Wange greifen mußte. Schließlich wurde die 1939 in Berlin geborene Klarsfeld dadurch bekannt, daß sie Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger auf dem CDU-Parteitag 1968 ins Gesicht geschlagen und als Nazi beschimpft hatte (siehe Seite 2).

Er glaube nicht, daß „der Umstand, daß sie mal einem bedeutenden Politiker eins in die Schnauze gehauen hat, als Qualifikation für das Präsidalamt ausreicht“, läßt sich der letzte Innenminister der DDR, Peter-Michael Diestel, in der Jungen Welt zitieren. Auch auf linken Internetseiten werden die fachlichen Voraussetzungen und persönlichen Qualifikationen von Beate Klarsfeld hinterfragt. Reicht es aus, daß sie die bundesdeutsche Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht hat, daß zahlreiche NS-Täter für ihre Kriegsverbrechen nie zur Verantwortung gezogen wurden? Daß sie anonymen Opfern der Judenverfolgung wieder Namen gab? Daß sie Israel stets verteidigte?

Die linke Basis ist darüber zerstritten. Ihre derzeitigen Positionen würden linke Positionen konterkarieren und „eher den Deunzianten von BAK Shalom in die Hände spielen, die jede Kritik an Israel, insbesondere deren verbrecherische Politik gegen das palästinensische Volk, als Antisemitismus abqualifizieren“, heißt es beispielsweise in einem Kommentar auf der Internetseite des Neuen Deutschland. Klarsfeld habe den Irak-Krieg befürwortet, unterstützte die amerikanische Politik gegenüber dem Iran und sei – wie Bundeskanzlerin Angela Merkel – für die Wiederwahl des konservativen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy.

Klarsfeld hat mit den politischen Vorstellungen der Linken, sieht man vom Antifaschismus ab, wenig gemein. Auch deswegen hätten nicht wenige Mitglieder lieber den Soziologen Christoph Butterwegge oder die Bundestagsabgeordnete Luc Jochimsen als Kandidaten gesehen. Trotzdem konnte Parteichefin Gesine Lötzsch gegen Oskar Lafontaine ihre Wunschkandidatin durchsetzen. Auch weil Butterwegge und Joachimsen darauf verzichteten, gegen eine „Antifaschistin“ anzutreten. Von einer „Kandidatin aus Versehen“ schreibt die Frankfurter Rundschau unter Anspielung auf die für die Linke typisch chaotische Personalentscheidung.

Obwohl Klarsfeld seit mehr als fünfzig Jahren in Frankreich lebt, sieht sie sich als „eine exemplarische Deutsche“ und wird nicht müde darauf hinzuweisen, von Deutschland für ihre Aktivitäten nie die verdiente Anerkennung erhalten zu haben. Von der DDR gab es dagegen Medaillen und von Israel die „Tapferkeitsmedaille der Ghettokämpfer“. Frankreichs Präsident François Mitterrand ehrte sie als „Ritter der Ehrenlegion“, und Sarkozy, dem ihr Sohn Arno Klarsfeld als persönlicher Berater dient, ernannte sie zum „Offizier der Ehrenlegion“.

Für Linksparteichef Klaus Ernst steht die Kandidatin „für das Aufbegehren gegen herrschende Verhältnisse“. Und in der Jungen Welt heißt es, „eine ausgewiesene Antifaschistin tritt gegen den Kandidaten der neoliberalen Einheitspartei an, der den antikommunistischen Konsens wie kein anderer verkörpert“. Mit den Kandidaturen von Gauck und Klarsfeld erhalte die Präsidentenwahl „eine überraschende historische Dimension, die den Blick öffnet auf den Kampf gegen zwei deutsche Diktaturen“, konstatiert die Süddeutsche Zeitung.

„Ich hoffe immer, daß Deutschland mich nicht vergißt“, sagte Klarsfeld im Mai 2009 dem Neuen Deutschland. Da war sie gerade mal wieder von der Linken für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen worden. Daß ihre jetzige Kandidatur nur symbolische Bedeutung, daß sie am 18. März gegen Gauck keine Chance hat, weiß Klarsfeld. Aber aus ihrer Sicht muß sich Deutschland endlich für die in die Geschichtsbücher eingegangene Ohrfeige erkenntlich
zeigen, natürlich mit dem Bundesverdienstkreuz.

Foto: Linkspartei-Kandidatin Beate Klarsfeld: „Ich hoffe immer, daß Deutschland micht nicht vergißt“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen