© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/12 09. März 2012

Grüße aus Jerusalem
Wehrhafte Minderheit
Philipp Gracht

Die antichristlichen Schmierereien, die wer auch immer im Schutze der Nacht des 20. Februar an einer West-Jerusalemer Baptistenkirche hinterlassen hat, sind längst weg. Geblieben ist viel interreligiöse Anspannung im religiös sowieso angespanntesten Teil der Welt. Islamische Steinwürfe gegen die israelische Polizei auf dem Tempelberg sind allfreitäglich wiederkehrendes Ritual.

Bilder von mit Polizisten rangelnden ultra-orthodoxen Sittenwächtern, die für die Geschlechtertrennung in öffentlichen Bussen kämpfen, sind kürzlich um die Welt gegangen. Und jetzt ist es auch noch an der christlichen Front unruhig geworden. Graffiti-Parolen wie „Tod den Christen“, „Yeshu Hurensohn“ und „Wir kreuzigen euch“ haben für einhellige Empörung der christlichen Gemeinschaft im Heiligen Land gesorgt.

Gerade zwei Wochen vorher war das orthodoxe Kreuzkloster im jüdischen Westen Jerusalems mit ähnlichen Parolen beschmiert worden. Vielleicht waren es national-religiöse Siedler. Die Polizei beeilt sich derweil, die Sache herunterzuspielen und macht Wichtigtuer verantwortlich. Nur kein Öl ins interreligiöse Feuer gießen. Die Christen, eine in Israel aufgrund ihres mehrheitlichen Arabertums wie der Religionsgeschichte wenig geliebte Minderheit von zwei Prozent, setzen sich dennoch zur Wehr.

Pater Pierbattista Pizzaballa, der katholische Hüter der heiligen Stätten, obwohl selbst gar nicht betroffen, hat sich beim israelischen Staatspräsidenten Peres schriftlich beschwert. Die rote Linie sei überschritten. Der Franziskaner mochte wohl auch die Spuck-Attacken auf Mönche und Priester im Hinterkopf gehabt haben. Viele Ultra-Orthodoxe sehen es nämlich als ihre religiöse Pflicht, den Anhängern des Erzketzers aus Nazareth deutlich zu zeigen, was sie von ihrer Anwesenheit im Gelobten Land halten.

Sie spucken deshalb regelmäßig vor christlichen Geistlichen aus. An Verurteilung der Graffiti wenigstens hat es jedoch nicht gefehlt. Staatspräsident Schimon Peres, Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat, die Anti-Defamation-League und selbst der Innenminister von der ultra-orthodoxen Schas-Partei, Eli Jischai, äußerten sich deutlich und kritisierten die Schmierereien. Auch die 57 Staaten umfassende Organisation für Islamische Zusammenarbeit stimmte aus Saudi-Arabien der Kritik zu und lieferte gleich einen Schuldigen mit: Israel.

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