© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/12 09. März 2012

Frisch gepresst

Entortung. Während sich ab 1919 in Westpreußen, Posen und den griechisch besiedelten Regionen der kleinasiatischen Türkei das „Jahrhundert der Vertreibungen“ ankündigte, stimmte die europäische Kulturkritik ihre Klage über die „Unbehaustheit“ im Industriezeitalter an, die dann nach 1945 vor allem in Deutschland auf stärkste Resonanz traf. Losgelöst vom engeren realhistorischen Hintergrund der ethnischen Säuberungen in den Ostprovinzen ist in diesem Kontext der Verlust von Heimat zur Chiffre für die ungeborgene, „entortete“ Existenz des Menschen in der Moderne geworden. Diesen Denkfiguren ist auch der Essay „Der Verlust des Ortes“ aus der Feder des 1962 geborenen Schriftstellers Volker Mohr verpflichtet. Viele einschlägige Referenztexte, etwa Hans Sedlmayrs „Verlust der Mitte“ oder Ina-Maria Greverus’ Versuch, das Geheimnis des „territorialen Menschen“ ethnologisch zu entschlüsseln, spielen für Mohr jedoch leider keine Rolle. So erinnert der knappe Text mehr an vergangene Diskurse, als das er sie produktiv fortsetzt, wozu überdies eine präzisere Handhabung von Begriffen wie Identität, Heimat oder „Wesen der Dinge“ gehört hätte. (jr)

Volker Mohr: Der Verlust des Ortes. Kaplaken Band 27. Edition Antaios, Schnellroda 2011, 85 Seiten, 8,50 Euro

 

Schulpolitik. Der bayerische Gymnasialdirektor und Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, ist seit langem als unermüdlicher Streiter gegen den Bildungsabstieg in den Medien präsent. Den Heerscharen von „Bildungsexperten“, die den Fortgang des jahrzehntelangen Herumdokterns und Reformierens an der Lehre am Leben erhalten wollen und applausheischend als Allheilmittel unisono „mehr Geld in die Bildung“ fordern, hält Kraus seine Streitschrift mit erstaunlich plausiblen Analysen und Erkenntnissen entgegen. Angefangen mit der eigentlich logischen Forderung nach „mehr Anstrengung“, womit eine Abkehr von der Spaß- und Wohlfühlpädagogik einhergeht, über die bei linken Pädagogen die Alarmglocken auslösenden Feststellung, daß Menschen „Unterschiede in der Begabung“ haben, dekliniert Kraus anhand von 33 Thesen durch, was Deutschland helfen könnte, „wieder eine Bildungsnation“ zu werden. Kurz, knapp, empfehlenswert! (bä)

Josef Kraus: Bildung geht nur mit Anstrengung. Classicus Verlag, Hamburg 2011, broschiert, 101 Seiten, 9,90 Euro

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