© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

Freiheit statt Quote
Frauen sollen selbst über ihren beru‑ ichen Werdegang entscheiden und nicht in der Opferrolle verharren
Birgit Kelle

Unser Land wird von einer Frau regiert. Nicht einmal ihre härtesten politischen Gegner würden Angela Merkel unterstellen, daß sie nur als Quotenfrau auf ihrem Stuhl sitzt. Stattdessen hat sie sich mit harter Arbeit, Mut und Willen an diese Position gekämpft und dabei viele Männer knallhart aus dem Spiel gedrängt. Dafür genießt sie jetzt den Respekt ihrer politischen Freunde, aber auch Gegner. So muß es sein.

Ich teile nicht viele Ansichten von Angela Merkel, aber ich respektiere ihre Leistung. Es wäre wünschenswert, wenn mehr Frauen ihrem Beispiel in Politik oder Wirtschaft folgen würden – wir sollten es aber nicht gesetzlich mit einer Quote verordnen.

Wir leben in einer freiheitlichen Demokratie, in der jedem Mann und jeder Frau die gleichen Türen offenstehen, sie müssen nur hindurchschreiten. Emanzipation kann man niemandem hinterhertragen. Wir sind nicht mehr in den siebziger Jahren, aber die Rhetorik ist geblieben, als hätte sich nichts getan in der Frauenfrage. Trotz Antidiskriminierungsgesetz und Gleichheitsgrundsatz verharrt eine ganze Frauengeneration im Opferstatus, während die Welt sich weitergedreht hat. So wird immer noch lamentiert, daß die Männer die Frauen an der Karriere hindern: Wer sonst? Zuerst haben sie uns an den Herd gefesselt und jetzt lassen sie uns vor den gläsernen Decken der Vorstandsetagen stehen. Ist ja auch herrlich einfach, wenn Täter und Opfer klar definiert sind.

Ignoriert wird, daß gerade junge Frauen die Quote ablehnen und sich nicht kleinreden lassen wollen, was sie bislang geleistet haben. Ein Generationenkonflikt tut sich auf zwischen der alten Feministinnen-Riege und der Generation ihrer selbstbewußten Töchter, die daran glaubt, daß sie es alleine schaffen kann. Nach dem Motto: „Bad girls go everywhere!“ Aber sie schlagen nicht die Wege ihrer Mütter ein, sondern suchen eigene.

Richtig ist, daß in den Vorständen der Dax-Unternehmen nur wenige Frauen sitzen. Unter den Tisch gekehrt werden allerdings breite Teile der Gesellschaft, in denen Frauen massiv aufgeholt haben. In der Gerichtsbarkeit, in der Ärzteschaft, an den Universitäten, bei den Professuren und vor allem in den Familienunternehmen, wo der Frauenanteil in Führungspositionen schon jetzt bei 25 Prozent liegt.

Steigender Wohlstand in der Gesellschaft führt in aller Regel dazu, daß Frauen nach Neigung und nicht nach anderen Prioritäten ihr Leben führen. Sie bleiben bei frauentypischen, schlechtbezahlten Berufen, studieren Romanistik statt Ingenieurwissenschaften und bekommen gerne Kinder. Keiner zwingt sie dazu. Deswegen ist es nicht Diskriminierung, wenn sie in manchen Bereichen zahlenmäßig unterrepräsentiert sind, sondern es ist ihre freie Wahl, ein Leben als Frau und nicht als besserer Mann zu führen.

Wir regen uns ja auch nicht auf, weil der Frauenanteil bei der Müllabfuhr, bei den Bergarbeitern unter Tage oder beispielsweise auch unter den Selbstmördern so klein ist; gefordert werden nur opportunistisch die Sahnehäubchen in der Wirtschaft.

Pünktlich zum „Weltfrauentag“ meldete sich die EU-Justizkommissarin Viviane Reding mit der Drohung zu Wort, auch Deutschland per EU-Gesetz zwingen zu wollen, bis ins Jahr 2015 einen Frauenanteil von 30 Prozent in den Vorständen zu erreichen, wenn wir das nicht schnellstens national regeln. Dagegen steht Familienministerin Kristina Schröder mit ihrer Idee einer „flexiblen Quote“, die auf Freiwilligkeit der Unternehmen baut, ziemlich alleine da. Man fragt sich, wie lange sie die Front noch halten kann. Sie sei kein Fan von Quoten, gibt indes Viviane Reding freimütig zu, ihr gefielen aber die Ergebnisse. Frei nach dem Motto: Der Zweck heiligt die Mittel – eine erstaunliche Einlassung gerade für eine Vertreterin der Justiz. Unter diesem Aspekt ließe sich auch das Folterverbot ganz neu interpretieren. Offensichtlich ist auch Frau Reding klar, daß der Quotenweg grundsätzlich falsch ist. Daß Quoten das Leistungsprinzip außer Kraft setzen, die unternehmerische Freiheit einschränken und neue Ungerechtigkeiten schaffen. Und vor allem, weil man den Frauen das Recht nimmt, selbst zu beweisen, daß sie gut sind.

Ganz offen geistert konsequenterweise der Begriff „positive Diskriminierung“ durch den Raum. Gemeint ist die Tatsache, daß durch die Frauenquote eine ganze Männergeneration ihre Karrierechancen auf Eis legen kann, weil jetzt die Damen dran sind, bis die 30 Prozent erreicht sind. Eine ganz klare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, aber meine Herren, nehmen sie es nicht persönlich: Es ist positiv und für einen guten Zweck.

Verheerend ist an der Frauenquotendebatte, daß ein Großteil der weiblichen Bevölkerung rein gar nichts davon hat und wir stattdessen Politik für eine gutausgebildete, erfolgreiche Frauenelite machen, die unsere Hilfe nicht im geringsten braucht. Denn während Lieschen Müller weiterhin an der Aldi-Kasse sitzt, um das Familieneinkommen zu stützen, werden sich mit Quote nur gut 300 Frauen die Vorstandsposten aufteilen und den Lebensabend vergolden. Das Quotenland Norwegen bietet hierzu traurigen Anschauungsunterricht. Man stelle sich mal vor, was los wäre, wenn wir über ein derartiges Gesetz zugunsten von Männern diskutieren würden.

Wir sollten aufhören, Frauen als Opfer und bemitleidenswerte Geschöpfe zu betrachten, die sie nicht sind, und ihnen einfach nur den Respekt entgegenbringen, den sie verdient haben.

 

Birgit Kelle ist Journalistin und Vorsitzende des Vereins Frau 2000plus sowie Mitglied der New Women for Europe. Sie hat zudem die Kampagne „Starke Frauen brauchen keine Quote“ ins Leben gerufen:  http://frau2000plus.net/

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