© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

„Die Quote ist demütigend“
Braucht Deutschland die Frauenquote? Nein, sagt Sabine Schwind von Egelstein. Die selbständige Kommunikationsmanagerin berät die Chefetagen in Politik und Wirtschaft und kennt die Welt der männlichen Führungskräfte. Halten diese Frauen tatsächlich gezielt fern?
Moritz Schwarz

Frau Schwind von Egelstein, warum wollen Sie die Benachteiligung von Frauen durch Ihr Nein zur Quote zementieren?

Egelstein: Gegenfrage: Warum wollen Sie Frauen diskriminieren?

Wieso das?

Egelstein: Ich habe es öfter erlebt, daß in einem Vorstand eine Frau sitzt, von der man sich nach näherem Kennenlernen fragt, warum die wohl dahin gekommen ist? Mitunter gibt es ja heute schon solche Quotenfrauen, die den Männern nicht wirklich gefährlich werden können. Das ist demütigend. Zudem unterstellt eine Quote, Frauen würden es anders nicht schaffen. Auch Frauen, die ihren Posten ehrlich verdient haben, werden dann dem Verdacht ausgesetzt sein, diesen nur der Quote zu verdanken. Wir empören uns zu Recht, wenn es über eine gutaussehende, erfolgreiche Frau heißt, diese habe sich ja nur „hochgeschlafen“. So eine Unterstellung ist ehrabschneidend, und die Unterstellung, Quotenfrau zu sein, ist es auch.

Moment, unterstellt die Forderung nach der Quote nicht vielmehr, daß patriarchalische Männerseilschaften den Aufstieg leistungsbereiter Frauen aus sexistischen Gründen verhindern?

Egelstein: Mit Verlaub, eine solche „Verschwörung des Patriarchats“ halte ich für ein „Argument“ aus der Mottenkiste feministischer Ideologie. Das hat wenig zu tun mit der Realität, die ich in meiner Tätigkeit als Imagedesignerin und Kommunikationsmanagerin im Führungskräfte-Coaching erlebe.

 „Diese Frau ist ein Profi“ schreibt der „Focus“ über Sie. Seit 17 Jahren „berät sie Politiker und Top-Manager“, so preist der Bayerische Rundfunk Sie an. Haben Männer in Spitzenpositionen tatsächlich nichts gegen gleichberechtigte Frauen?

Egelstein: Nein, die meisten Männer, mit denen ich zu tun habe, haben in der Tat an sich gar nichts gegen qualifizierte Frauen. Wogegen sie allerdings etwas haben, ist dieser feministische Touch, weil der ihnen was unterschieben will. Denn letztlich sagt der Feminismus: „Männer, ihr seid anders, und das ist schlecht so.“ 

In einem Interview haben Sie über sich selbst gesagt: „Ein Doktortitel würde im beruflichen Umgang mit Männern die blonden Haare vielleicht etwas kompensieren.“ Also gibt es doch Vorurteile?

Egelstein: Das war eine spaßige Bemerkung. In dem Interview ging es um etwas ganz anderes. Nein, ich erlebe Männer in Führungspositionen vielmehr als ausgesprochen pragmatisch. Das heißt, sie hören sich an, was man zu sagen hat und wenn dabei etwas rüberkommt, was ihnen interessant erscheint, dann setzen sie das auch um – und zwar meist sehr konsequent. Tatsächlich hatte ich anfangs sogar eher bei Frauen Probleme mit der Akzeptanz, die mich offenbar als Konkurrentin wahrgenommen haben. Das hat sich erst mit der Zeit gelegt.

Dennoch, Forsa belegt, in den Vorständen der zweihundert größten deutschen Unternehmen sitzen nur 3,7 Prozent Frauen  – und schuld daran, so der „Spiegel“, seien „auch männliche Netzwerke“.

Egelstein: Das leugne ich gar nicht, die Frage ist aber, welche Ursachen hat das und welchen Schluß zieht man daraus? Ich habe selbst immer wieder erlebt, daß wenn Männer über die Besetzung eines hohen Postens zu entscheiden hatten und dafür sowohl ein guter Mann wie eine gute Frau zur Verfügung standen, es meist zugunsten des Mannes ausging.

Also gibt es doch Diskriminierung?

Egelstein: Moment bitte. Ja, natürlich gibt es die. Man darf nicht vergessen, daß die Gleichberechtigung gerade mal wenige Dekaden alt ist. Das steckt natürlich auch beim einen oder anderen noch drin, sowohl bei Männern wie übrigens auch bei Frauen. Und doch ist es in den meisten Fällen nicht der Grund  dafür, daß Männer Männer bevorzugen.

Sondern?

Egelstein: Der Grund ist vor allem, daß Männer anders ticken. Sie denken anders, sie kommunizieren anders, sie entscheiden anders. Für viele Männer stellt es sich als unkomplizierter dar, den männlichen Bewerber ins Boot zu holen. Das hat aber nichts mit Verachtung von Frauen zu tun, sondern mit dem Unterschied zwischen Männern und Frauen.

Würde sich denn ein überwiegend mit Frauen besetztes Gremium andersherum ebenso verhalten.

Egelstein: Das ist anzunehmen.

Sie haben als Frau ein Buch über Männer geschrieben: „Das Geheimnis der Klasse-Männer“ .Was ist das Geheimnis? Was unterscheidet Männer?

Egelstein: Das Buch ist weniger eine Analyse als vielmehr ein Leitfaden für Männer, die sich zu Klasse-Männern entwickeln wollen. Dennoch basiert es natürlich auf meinen Erfahrungen in der Männerwelt. Tatsache ist, daß es viele Männer in Entscheiderpositionen noch nicht drauf haben, sich kommunikativ auf die Frauen in ihren Reihen einzustellen. Allerdings gilt das umgekehrt auch für Frauen. Ich habe es des öfteren erlebt, daß Frauen, die in eine höhere männlich dominierte Ebene aufrücken, Nachhilfe brauchen in der Frage, wie Männer kommunizieren. Die Männer wollen die Frau dabei nicht ausgrenzen, sie wollen sich aber auch nicht die Mühe machen, sich auf sie einzustellen, sie möchten einfach ihren Job machen. Der Klasse-Mann, den zu entwickeln Ziel meines Trainings ist, hat dagegen die Fähigkeit, sich unter anderem auch auf die Kommunikation mit Frauen einzustellen. Das gleiche gilt umgekehrt für die Klasse-Frau.

Gut, wenn vielleicht auch meist nicht aus Frauenfeindlichkeit, dennoch stimmt, daß es die Männer sind, die verhindern, daß Frauen entsprechend ihrer Qualifikation und ihres Engagements aufsteigen?

Egelstein: Das ist ein Grund, ja – aber ist es der Grund? Ich denke, das ist ein feministischer Blick auf das Problem.

Aber was ist dann mit der „gläsernen Decke“, die über Europa liege und an der die Frauen immer wieder scheiterten, wie EU-Kommissarin Viviane Reding das nennt?

Egelstein: Na klar, wenn man liest, Frauen verdienten in Deutschland 23 Prozent weniger als Männer, dann denkt man natürlich im ersten Moment: „Das kann kein Zufall sein, da stecken die Männer dahinter!“ Was dabei aber nicht gesagt wird, ist, daß Frauen eben Frauen sind, daß sie oft andere Interessen, daß sie andere Fähigkeiten haben, daß sie sich eben oft nicht zu hundert Prozent für Job und Karriere aufopfern möchten, sondern daß viele Familie und Karriere unter einen Hut bringen wollen. Denn wer Karriere machen will, der muß sowohl Selbstbestimmung wie Kinderwunsch hintanstellen und zu Arbeitszeiten mit sechzig, siebzig, achtzig und mehr Wochenstunden bereit sein, inklusive der Flexibilität, oft auf Reisen und nicht zu Hause zu sein. Und was die genannten 23 Prozent angeht: Wenn man genauer nachliest, ergibt sich, daß davon ein Großteil tatsächlich auf eine unterschiedlich ausfallende Berufs- und Branchenwahl von Männern und Frauen zurückgeht. Der statistisch bereinigte Unterschied beträgt dann schließlich nur noch acht Prozent! Die „gläserne Decke“ der Frau Reding, an der sich, wie die Publizistin Cora Stephan schreibt, die Frauen angeblich „regelmäßig die Frisur ruinieren, wenn sie nach oben wollen“, ist also vielleicht gar nicht so dick.

Allerdings, wenn immerhin noch acht Prozent übrigbleiben, brauchen wir dann für diese nicht doch eine Quote?

Egelstein: Betrachtet unter den genannten Aspekten finde ich acht Prozent Unterschied gar nicht mal so viel. Cora Stephan beschreibt das sehr schön: „Viele Frauen zeigen sich entscheidungsschwach: Wollen sie Kinder, Küche, Kerl? (...) Frauen streben keineswegs massenhaft in Aufsichtsräte und an die Schalthebel der Macht. Obwohl ihnen alle Wege offenstehen, entscheiden sich die meisten für klassische Frauenberufe ... Frauen machen es niemandem recht, vor allem nicht den Übermüttern der Frauenbewegung.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Sie schildern, daß Sie selbst diese Erfahrung gemacht haben.

Egelstein: Als ich mich entschied, sowohl Karriere zu machen, wie Kinder haben zu wollen, war mir klar, daß ich das im Angstelltenverhältnis nicht auf dem Niveau unter einen Hut bringen kann, wie ich das möchte. Deswegen habe ich mich selbständig gemacht, und deshalb – und nicht wegen der Männer – bin ich heute nicht Geschäftsführerin einer großen Firma. Im übrigen: Ein Zustand der Freiheit wird niemals zu einem Zustand der völligen „Gerechtigkeit“ führen, weil Freiheit immer bedeutet, daß es auf individuelle Entscheidungen, Fertigkeiten und Fähigkeiten ankommt. Wobei für mich das Wort Gerechtigkeit hier obendrein fehl am Platz ist, denn Ziel der Quote ist Gleichheit, deren Ergebnis nicht Gerechtigkeit, sondern Gleichmacherei wäre. Und mal ehrlich, möchten wir wirklich totale Gleichheit? In Wahrheit wollen wir doch, daß Frauen sich auch immer wieder für Kinder entscheiden und Kinder kriegen. Denn sonst gibt es uns bald nicht mehr.

Cora Stephan sieht das Problem zudem weniger mit der Benachteiligung von Frauen, als mit der von Alten verbunden.

Egelstein: Ja, das ist eine interessante Verknüpfung, die sie da herstellt. Frauen, die ihre Kinder aufgezogen haben und dann mit vierzig oder mehr Jahren wieder in den Beruf einsteigen wollen, hätten damit weniger ob ihres Geschlechts ein Problem, als ob ihres Alters. Sie fielen also vielmehr der Altersdiskriminierung zum Opfer. Daher plädiert Stephan dafür, eher unsere Arbeitsstrukturen zu verändern, statt Quoten einzuführen. Meines Wissens nach ist es übrigens statistisch nachweisbar, daß auch Männer, die eine Kinderauszeit nehmen, durchaus auch Karriereprobleme bekommen können. Auch das zeigt, daß es sich eben nicht um ein geschlechtsspezifisches Problem handelt. Allerdings, so sehr ich Cora Stephan im Grunde zustimme, muß man auch realistisch bleiben: Wer wirklich zwecks Kindererziehung vielleicht fünfzehn Jahre aus dem Beruf raus war, der kann kaum erwarten, wieder problemlos Anschluß zu finden. Dazu ist die Wirtschaftswelt einfach viel zu schnellebig.   

Also, sollten wir alles so lassen, wie es ist?

Egelstein: Keineswegs. Aber es ist wichtig zu begreifen, daß die Probleme keine monokausale – Stichwort „die Männer“ –, sondern eine multikausale Erklärung haben, nämlich unsere gewachsenen Lebens- und Arbeitsstrukturen, unsere Idee von einer freiheitlichen Gesellschaft sowie die biologischen Unterschiede und Funktionen von Mann und Frau.

Das heißt, das feministisch inspirierte monokausale Erklärungsmuster verstellt den Weg zu einer Lösung der Probleme?

Egelstein: Auf jeden Fall. Eine ideologische „Lösung“ wie die Quote – schon die ganze Fixierung der Debatte darauf – behindert die Diskussion über das, was eigentlich getan werden muß. Etwa, leistungsbereite Frauen bei ihren spezifischen Problemen zu unterstützen und zu fördern. Stichworte dafür sind etwa Kinderbetreuung in Unternehmen, flexiblere Arbeitszeiten, mehr Möglichkeit zum Homeoffice etc. Eben all jene Dinge, die etwa die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf verbessern. Dafür darf es gerne auch neue Gesetze geben – aber bitte keine Quote! Aber auch damit werden und wollen wir nicht die Unterschiede zwischen Mann und Frau aufheben.

Was aber wäre die Folge, wenn die Quote doch kommt?

Egelstein: Das Grundproblem würde eben nicht gelöst! Die Frauen, die dann über die Quote einziehen, stünden im gleichen Streß wie jetzt, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, und wären dem Vorwurf ausgesetzt, nur eine „Quotenfrau“ zu sein. Das Bild der Frau, als Frau, die allein nicht ihren „Mann“ stehen kann, würde dem Frauenbild in unserer Gesellschaft Schaden zufügen. Und die Frage ist auch, was würde langfristig mit unserer Gesellschaft passieren, die ihren Schwung verlieren könnte sich ständig zu verbessern, weil verstärkt nicht mehr Leistung, sondern Geschlecht zählt. Und nicht zuletzt, fürchte ich, wäre eine Frauenquote nur der Einstieg in ein immer weiter wucherndes Quotenwesen für jeden und alles.

 

Sabine Schwind von Egelstein, Bekannt ist die Imagedesignerin und Kommunikationsmanagerin unter anderem durch ihre Fernsehauftritte, etwa in ARD, Pro 7 oder  RTL, aber auch durch Berichte in FAZ, Welt, Bild, Focus oder Süddeutscher Zeitung. Sabine Schwind von Egelstein berät Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft, hält Lehrvorträge an diversen europäischen Hochschulen und ist Dozentin der Bayerischen Eliteakademie in München. Bevor sie sich 1995 mit einem eigenen Beratungsbüro selbständig machte, sammelte die 1964 geborene Münchnerin Erfahrung als PR-Managerin eines international führenden Softwareunternehmens, war im Marketing und der Medienbranche tätig. 2005 koproduzierte sie einen preisgekrönten Lehrfilm für Berufseinsteiger. 2008 erschien ihr Buch „Das Geheimnis der Klasse-Männer“ im Verlag SVE-Media, für das der Schauspieler Sky du Mont das Vorwort schrieb.

 www.schwindvonegelstein.de

Foto: Sind Frauen in Vorstandsetagen wirklich unerwünscht? – Ausgangspunkt der Debatte um die Quote: „Feministischer Blick auf das Problem“

 

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