© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

David Gill, der alte Weggefährte Gaucks, leitet künftig das Bundespräsidalamt
Der Mann hinter Gauck
Gernot Facius

Ob er im Januar schon etwas ahnte? Es gebe viel zu tun, hatte Oberkirchenrat David Gill (45), Vize-Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesregierung, während eines Berliner Neujahrsempfangs gesagt: „Packen wir’s an!“ Demnächst kann er damit beginnen. Mit dem designierten Bundespräsidenten Joachim Gauck (72) soll Gill nach dem 18. März ins Schloß Bellevue ziehen, erstmals wird dann ein Kirchendiplomat, groß geworden in der ehemaligen DDR, Chef des Präsidialamtes.

Einen exzellenten Berater im Haus zu haben, das ist auch für starke, souveräne Persönlichkeiten wie den Rostocker Ex-Pastor Gauck so etwas wie eine halbe Erfolgsgarantie. Gauck und sein Staatssekretär in spe sind verwandte Seelen, die beiden Protestanten haben in den turbulenten Tagen nach dem Fall der Mauer zusammengefunden. Gill, der nach der 10. Klasse der Polytechnischen Oberschule, DDR-typisch, zunächst eine Klempnerlehre absolvierte, zählte gerade mal 24 Lenze, als er an die Spitze des Bürgerkomitees zur Auflösung von Erich Mielkes Stasi-Zentrale trat. Noch Jahre später wird er sich mit gemischten Gefühlen an das seinen Werdegang prägende Erlebnis erinnern: „Einerseits war es bedrückend, andererseits war es toll: Ich stehe hier, werde nicht festgenommen!“

Der Sohn eines Bischofs der Herrnhuter Brüdergemeine brach sein Theologiestudium nach drei Semestern ab, baute mit Gauck die Stasiunterlagenbehörde auf, arbeitete bis 1992 als deren Pressesprecher und studierte dann Jura, unter anderem in Philadelphia. Vorübergehend im Bundesinnenministerium tätig, wechselte er 2004 zur EKD.

„Zwei Dinge“, sagte Gill, „haben in meinem Leben eine Rolle gespielt: Kirche und Politik.“ Mit Gauck verbindet ihn ein in zwei Jahrzehnten gereiftes Verhältnis, keine Kumpanei, dafür sind beide zu eigenständige Charaktere, sie lieben furchtlos den Diskurs. Schon 2010, als Gauck als Kandidat von SPD und Grünen gegen Christian Wulff antrat, war der EKD-Mann sein engster Berater. Nun hat Phase drei ihrer Zusammenarbeit begonnen. Der Erwartungsdruck ist immens. Nach den Turbulenzen um Wulff muß das Präsidentenamt neue Impulse erhalten, seine Existenzberechtigung wurde zunehmend in Zweifel gezogen. Gill gilt als kreativer politischer Denker. Menschen, die seine Arbeit beobachtet haben, trauen ihm zu, daß er seinen Mentor, wenn es angebracht ist, korrigieren kann: „erden“, wie sich ein Freund des Duos ausdrückte. Aus seinem provisorischen Quartier in den „Katholischen Höfen“ in Berlin-Mitte koordiniert der ökumenisch aufgeschlossene Gill Auftritte und Interviews des künftigen Staatsoberhauptes. Und in Kürze wird er wie alle Amtschefs vor ihm an den Sitzungen des Bundeskabinetts teilnehmen können. Eine neue Erfahrung für die schwarz-gelbe Koalition: Gaucks Vertrauter ist SPD-Parteigänger.

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