© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

Duell um Frankreichs Rechte
Präsidentschaftswahlen: Amtsinhaber Nicolas Sarkozy kämpft mit dem Front National um einwanderungskritische Wähler
Friedrich-Thorsten Müller

Frankreich zittert den Präsidentschaftswahlen am 22. April entgegen. Eine Stichwahl zwischen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy und dem sozialistischen Herausforderer François Hollande wird immer wahrscheinlicher. Sarkozy gelang es dabei in den vergangenen Tagen, den Rückstand auf den bisher favorisierten Sozialisten immer weiter aufzuholen. Demnach kann er in der ersten Wahlrunde sogar mit 28,5 Prozent der Stimmen rechnen. Hollande kommt dagegen nur auf 27 Prozent.

Seine Rivalin Marine Le Pen vom rechten Front National (FN) kann der Präsident dagegen laut Umfragen inzwischen mit sieben bis zehn Prozentpunkten Vorsprung deutlich auf Abstand halten. Für den zweiten Wahlgang sehen die Demoskopen Hollande mit 55 Prozent zu 45 Prozent noch deutlich vor Sarkozy.  Dieser hatte im bisherigen Vorwahlkampf massiv auf die Zugkraft des Duos „Merkozy“ gesetzt und mit mäßigem Erfolg den Franzosen den „deutschen Weg“ als Kur zur Gesundung der französischen Wirtschaft verkauft. Nun setzt er wieder vermehrt auf klassisch rechte Themen. Den Anfang machte in diesen Tagen ein hastig verabschiedetes Dekret zu sanitären Mindeststandards bei religiösen Schlachtungen. Eine Kennzeichnungspflicht für rituell geschlachtetes Fleisch soll folgen.

Vorausgegangen war ein Bericht des französischen Senders France 2, der aufdeckte, daß im Großraum Paris inzwischen sämtliches Rind- und Hühnerfleisch nach muslimischem Ritus geschlachtet wird. Ein Thema, das die Vorsitzende des FN, Marine Le Pen, sofort erfolgreich aufgriff. Sarkozy hatte das Problem zunächst kleinreden wollen, schwenkte dann jedoch um und erklärte die Schächtungen zur „wichtigsten Sorge“ der Franzosen. Auch sonst scheint Sarkozy inzwischen sein Heil in der Thematisierung der großen französischen Ängste vor Überfremdung zu suchen. In der vergangenen Woche ließ er das Land wissen, er plane den Zuzug von Ausländern von aktuell 180.000 pro Jahr auf 100.000 nahezu zu halbieren.

Bei einer zentralen Wahlkampfveranstaltung in Villepinte, im Nordosten von Paris, drohte er am vergangenen Wochenende vor Zehntausenden Anhängern, die man mit Sonderzügen aus ganz Frankreich zusammengeholt hatte, darüber hinaus mit einer Aussetzung. des Schengen-Abkommens In Frankreich herrscht bei vielen Bürgern der Eindruck vor, die Südeuropäer würden die europäischen Grenzen nicht ausreichend schützen und illegale Einwanderer einfach nach Norden weiterziehen lassen. So sehr sich Le Pen auch freuen kann, erfolgreich als Stichwortgeber für die politische Diskussion zu wirken, muß sie doch fürchten, daß Sarkozy so dem FN einmal mehr entscheidende Wähler abspenstig macht.

Zumindest die notwendigen 500 Unterschriften von kommunalen Mandatsträgern, die für einen Wahlantritt benötigt werden, kann Le Pen mittlerweile vorweisen. Die FN-Chefin konnte sich dabei von Anfang an nur auf etwa 300 eigene unterschriftsberechtigte Mandatsträger verlassen. Bis kurz vor der Abgabefrist waren so wesentliche personelle Ressourcen des FN gebunden, die damit beschäftigt waren, 47.000 potentielle Unterstützer zu einer Unterschrift zu bewegen.

Unterdessen versucht Marine Le Pen mit ihrem europa- und wirtschaftspolitischen Programm gegenüber der konservativen Regierungspartei UMP und den Sozialisten zu punkten. Bei einer Demonstration vor dem Sitz der Europäischen Kommission in Paris in der vergangenen Woche bezeichnete sie Nicolas Sarkozy und François Hollande europapolitisch als „Siamesische Zwillinge“. Keiner von beiden stelle die Rettungsschirmpolitik in Frage, beide seien Diener „eines Europas, das den Deutschen dient“. Der FN sieht dagegen das Heil in der Rückkehr zum Franc.

Ob es für den zweiten Wahlgang Präsident Sarkozy gelingt, das rechte Lager mit einwanderungskritschen Parolen hinter sich zu vereinen oder ob die FN-Anhänger – erbost über die Zitterpartie Le Pens bezüglich ihrer Wahlteilnahme – zu Hause bleiben werden, ist im Moment noch unklar. Unstrittig ist aber, daß die inzwischen 20 bis 25 Prozent der Anhänger Sarkozys, die mit den Ideen des FN sympathisieren, seine letzte Chance auf eine Wiederwahl darstellen.

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