© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

CD: Early Rappers
Viel Lärm ums Ich
Sebastian Hennig

Das Münchner Trikont-Label pflegt eine Reihe mit dem Titel „Black Radical Music“. Besagte Wurzel verzweigt in zwei Hauptstränge, die aus Aufsässigkeit und Aufschneiderei bestehen. Alle Kraft mündet entweder in Imponiergehabe vor dem Weib oder in Rechthaberei gegen den Boß.

Die CD-Kompilation „Early Rappers – hipper than hop – the ancestors of rap“ enthält Titel von Typen, die entweder den Hampelmann oder den Rebellen markieren – wobei letzteren immerhin noch ein gewisser Ernst der Verzweiflung anzumerken ist. Der Kollektor dieser musikalischen Wurzeln, Jonathan Fischer, spricht die Liebhaber der Richtung an, aber auch kultur-ethnographische Neugier kommt auf ihre Kosten. Das Durchforsten von Archiven originaler Schnittmuster der Kostüme des 18. und 19. Jahrhunderts würde direkt zu den beschwiegenen Quellen heutiger Modeschöpfer führen und das Vorurteil von deren Kreativität schwer kränken. So wurden auch in der Krise des Musikgeschäfts in den siebziger Jahren vergessene Maschen hervorgekramt.

Cab Calloway war Entertainer im Harlemer Cotton Club, wo er mit irrwitzigen Nummern in den dreißiger und vierziger Jahren dem weißen Publikum die Ohren klingeln machte. Sein Kollege Pigmeat Markham trat mit rußgeschwärztem Gesicht und grellweiß geschminkten Lippen in der Revue des Apollo Theaters auf. Macy Skipper, der klingt, als hätte er keinen Zahn mehr im Mund, repliziert auf das Geschwafel eines Radio-DJ eloquenten Nonsens. „The Last Poets“ richten ihren mit klugem Wortspiel gespickten Vortrag vor allem an die eigenen Leute. Die Dichter der letzten Tage beschreiben den Greenback als des Satans Aktie: „papermoney is like a bee without honey“ und entziffern die Symbole von „a new empire of vampire millionairs“. Damit sind diese zornigen Black Muslims nicht weit von dem entfernt, was einen Ezra Pound lebenslang umtrieb. Auf der anderen Seite der Skala reimt dann Bo Diddley wieder „twenty one“ auf „a lot of fun“ und besteht darauf: „I’m bad“. Da ist es nur zu verständlich, daß die schwarze Venus Blanche Thomas mit ruppiger Matronen-Attitüde solche Club-Casanovas in Schach hält: „You ain’t such a much!“

Ende der siebziger Jahre feierte der domestizierte Rap und Hip Hop seine ersten Plattenerfolge. Damals schon wies der vor knapp einem Jahr verstorbene Gil Scott Heron darauf hin, daß der rhythmische Sprechgesang nichts Neues ist. Dessen uralte Herkunft – Ruf- und Antwort-Gesänge mit den Ahnen gab und gibt es bei afrikanischen Stämmen – deutet das Beiheft kurz an. Die moderne und vulgäre Ausformung hat dann an Stelle der Ahnen und Götter das gefräßige Ego gesetzt. Die Ahnherren des Rap sind zugleich die Pioniere des geschwollenen Ich. „Mehr Schein als Sein“ und „Viel Lärm um Mich“ sind die Parolen.

Das „Signifying“ genannte äußerliche Absetzen von der verwechselbaren Konkurrenz, die Odysseus-Statur (im Sitzen gewaltiger als im Stehen) und die genervte Lautstärke machen diese Vorläufer zu den globalen Paten aller Zurückgesetzten. Alles in allem wirkt diese Mischung aus Beleidigungsritualen und Wichtigtuerei in ihrer Hingerotztheit, an der wenig wirklich „authentisch“ ist, um einiges charmanter als ein zeitgenössischer Poetry-Slam mittelgroßstädtischer zorniger weißer PoetInnen.

Early Rappers Trikont (Indigo), 2011   www.indigo.de

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