© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

Ein Doktorhut steht jedem gut
Warum in mühevoller Kleinarbeit promovieren? Akademische Grade kann man doch kaufen
Toni Roidl

Die Europäer mit ihrer Adelsgeschichte können nicht anders – Orden und Titel imponieren ihnen. Ein Doktorgrad oder Professorentitel löst immer noch köpenickiadeske Reflexe aus. Um so sensibler reagiert die Öffentlichkeit, wenn ein Titelträger beim Schummeln erwischt wird. Wenn „Dr. Googleberg“ seinen Adelstitel durch Adoption ermogelt hätte, wäre das vielleicht nur als halb so schlimm angesehen worden wie das Zusammenkopieren seiner Doktorarbeit.

Immerhin könnte man aber sagen, hat er sich wenigstens selbst die Mühe gemacht, überhaupt eine Dissertation zu fabrizieren. Vielen ist auch das zu anstrengend. Bis heute kursieren Werbefaxe mit Absenderadressen auf dem britischen Atoll Diego Garcia im Indischen Ozean oder dem Zwergstaat der Republik Nauru im Südpazifik (vormals deutsche Kolonie). Im Text heißt es: „Haben Sie keine Zeit, ein langwieriges Studium abzuschließen, um danach auch noch jahrelang eine Dissertation zu schreiben? Machen Sie es wie viele Politiker und andere Prominente! ... Schon für 3.800 Euro (inklusive aller Verwaltungsgebühren) vermitteln wir die Ehrendoktorwürde (auch Professorentitel und Honorarkonsul möglich).“

3.800 Euro sind natürlich ein unverschämt hoher Preis. Jetzt gibt’s den Doktor schon für 150 Euro und aktuell beim Schnäppchen-Shop „Deal LX“ sogar zum einmaligen Aktionspreis von nur 39 Euro. Bei dem Angebot handelt es sich um kirchliche Ehrendoktortitel der amerikanischen „Miami Life Development Church“ (MLDC). Die deutsche Vertretung der MLDC ist der „Minerva-Orden“ des Geschäftsmannes Daniel van Hoogen aus Lübeck. Laut Selbstauskunft ist der Orden eine „nichtreligiöse Gemeinschaft hochentwickelter Individuen, die nach Weisheit und Wissen suchen“.

Die Freikirche verkauft Ehrentitel zum Discounterpreis. Den „Doctor honoris causa (Dr. h.c.)“ gibt es für 150 Euro, der Honorarprofessorentitel kostet 200 Euro und die beliebte Kombination „Professor Dr. h.c.“ auch nur 300 Euro. Auf dem Formular heißt es: „Sie haben die Wahl zwischen Doktortiteln aus den untenstehenden Bereichen. Bitte füllen Sie das Formular aus, um den gewünschten Doktortitel zu bekommen.“

Was die wissenschaftlichen Disziplinen anbelangt, steht ein bunter Strauß an Doktorwürden im Angebot: Der Dr. h.c. „of Alternative Health“ (Alternativmedizin) konkurriert mit der „Angel Therapy“ (Engeltherapie), der „Astral Projection“ (Astralprojektion), den „Esoteric Sciences“ (Esoterische Wissenschaften) und – nicht zu vergessen – mit dem Dr. h.c. „of Immortality“ (Unsterblichkeit).

Promovieren per Überweisung kann man außerdem in Orchideenfächern wie Motivation, Ufologie und sogar in Exorzismus. Rechtlich dürfte sich dasanstrengungsfreie Promotionsverfahren ganz hart am Rand der Legalität bewegen, doch solange man den Titel nicht mit „Dr.“ abkürzt und stets das „MLDC Institute, USA“ hinzusetzt, ist man auf der sicheren Seite. Die einzige Hürde für den Dr. h.c. der MLDC: „Wenn Sie einen Doktortitel kaufen, sind Sie Ehrendoktor der MLDC, und es wird von Ihnen erwartet, daß Ihr Handeln von der Überzeugung einer persönlichen und moralischen Verantwortung gegenüber Ihren Mitmenschen, denen Sie ein engagiertes und couragiertes Vorbild sein sollten, geleitet wird.“

In Zeiten, in denen Promotionsthemen um „Normative Herausforderungen demokratischen Selbstregierens und politischer Integration in pluralistischen Gesellschaften“ kreisen, sind Doktorgrade freilich nichts Besonderes mehr. Gefühlt hatten sich fast alle FDP-Politiker im Europaparlament und Kinder des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber (CSU) die zwei begehrten Buchstaben – zumindest für kurze Zeit – schon einmal vor den Namen gesetzt. Angesichts dieser Inflation akademischer Ehren muß man sich schon fragen, ob ein Dr. oder Prof. überhaupt noch erstrebenswert ist. Eine Marktlücke böten da die Titel der Kaiserzeit. Wer möchte nicht als „Hofrat“, „Kommerzienrat“ oder „Geheimrat“ angesprochen werden?

Nicht nur für Nachwuchspolitiker:  www.doktortitel-kaufen.net  www.deallx.de 

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