© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

Den Partisanen kümmert es wenig, wo er seine Waffen herbekommt
Sebastian Maaß präsentiert den Frankfurter Privatgelehrten Günter Maschke im Interview, der zu Carl Schmitt und der Aktualität von dessen Thesen Stellung bezieht
Dagobert Müller

Daß der kleine Kieler Regin-Verlag einem Interviewbüchlein mit dem Wahlpreußen Hans-Dietrich Sander („Im Banne der Reichsrenaissance“) nun rasch eines mit Günter Maschke nachfolgen läßt, ist sehr zu begrüßen, denn man kennt letzteren aus der persönlichen Unterhaltung als hinreißenden Erzähler. Daß diese zweite Lieferung „ad rem“ um achtzig Seiten stärker ausfällt als die erste, liegt daran, daß Maschke das ursprüngliche Tonbandprotokoll mit deutscher Gründlichkeit überarbeitet, erweitert und mit umfangreichen Literaturhinweisen ausgestattet hat, um die „lesefaule Rechte“ (O-Ton G. M.) auf Vordermann zu bringen.

Im Zentrum steht naturgemäß seine Beziehung zu Carl Schmitt, genauer: deren biographisch-anekdotischer Teil (die Begegnungen und Besuche 1979 ff.), der in Maschkes exzellenten Editionen des Juristen, vor allem beim Berliner Verlag Duncker & Humblot keinen Platz finden konnte. In der Tradition Schmitts rekonstruiert Maschke sodann die diversen Stationen einer „Selbstzerstörung des Völkerrechts“ von Den Haag über Versailles, den Völkerbund, den Kellogg-Pakt, die Stimson-Doktrin, die Nürnberger Prozesse bis hin zur Uno mit ihrem Gewaltverbot. Über die zeitgenössische Adaption der Vorstellung des „gerechten Krieges“ der Kirchenväter des Mittelalters heißt es bei Maschke: „Eine christliche Idee ist in die Hände von Freimaurern und Menschenrechtsimperialisten gefallen.“ Sein Credo hingegen, im Anschluß an Schmitt und Julien Freund: „Zum Frieden gelange ich nur durch die Anerkennung von Feind und Feindschaft, nicht durch den vergeblichen Versuch, den Krieg zu verbieten und abzuschaffen – ein Versuch, der nach allen Erfahrungen nur im totalen Krieg enden kann, in der Diffamierung des Feindes und seiner Umwandlung in einen auszurottenden, zumindest aber umzuerziehenden Verbrecher.“

Zur „Rassenfrage“ im Dritten Reich äußert sich Maschke mit wünschenswerter Unzweideutigkeit: „Schon mit den ersten systematischen Aktionen gegen  die Juden kurz nach der Machtergreifung hat Hitler den Staat gesprengt, denn er handelte gegen jüdische Deutsche (…) und damit gegen deutsche Staatsbürger.“ Dadurch war der Hobbessche Gesellschaftsvertrag, der prinzipiell Schutz gegen Gehorsam oder Loyalität zusicherte, einseitig aufgekündigt worden, mit unabsehbaren Konsequenzen bis in die Gegenwart. Denn – so Maschke provokant – einschließlich seines fanatischen Nichtrauchertums sei „der Führer“ bis heute für die Bundesrepublik vorbildlich geblieben. Er bestimme nach wie vor die Richtlinien der Politik, nur diesmal ex negativo: Hatte er einst massenhaft angebliche „Minderwertige“ töten lassen, so überkompensiere man jene Verbrechen jetzt durch die flächendeckende Zuwanderung oftmals Assimilationsunwilliger oder Integrationsunfähiger, mit den geltenden Abtreibungsgesetzen als flankierender entvölkerungstechnischer Maßnahme: Deutschland schafft sich ab.

Egal ob er hier Elogen auf Fidel Castro als leibhaftigen Aufhalter (Katechon) gegen die USA vom Stapel läßt, Adorno „die Schrecken der Moderne“ angemessen beschwören sieht oder generell den analytischen anti-utopischen Zug am Marxismus lobt – Maschke ist, wie es Sebastian Maaß im Vorwort zutreffend, obwohl leicht verblüfft, konstatiert, anders als so mancher hessische Putztruppen-Professor aus Princeton den Idealen seiner stürmischen Jugend treu geblieben.

Der Kreis schließt sich. Waren in der Weimarer Republik hervorragende Vertreter der (nachmals so genannten) „Frankfurter Schule“ Eleven von Protagonisten der „Konservativen Revolution“ gewesen – Herbert Marcuse von Martin Heidegger, Otto Kirchheimer von Carl Schmitt, Arkadij Gurland von Hans Freyer –, so sind die besten älteren Köpfe des derzeitigen deutschen Konservatismus in den fünfziger und sechziger Jahren bei einigen der gescheitesten Marxisten und Kommunisten in die Lehre gegangen: Hans-Dietrich Sander bei Bertolt Brecht, Günter Zehm bei Ernst Bloch und er selbst, Günter Maschke, bei Leo Kofler. Nur ein hoffnungsloser Sektierer würde so etwas als Renegatentum oder Verrat auffassen. In beiden Fällen haben die jeweils Jüngeren klar erkannt, wo sie am besten denken lernen konnten. Maschke drückt das im vorliegenden Buch einmal so aus, daß es den Partisanen wenig kümmert, wo er seine (geistigen) Waffen herbekommt; Hauptsache, sie sind schlagkräftig.

Sebastian Maaß (Hrsg): Günter Maschke. „Verräter schlafen nicht.“ Regin-Verlag, Kiel 2011, broschiert, 208 Seiten,   16,95 Euro

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