© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

Frisch gepresst

Aufklärung. In rascher Taktfolge hat der Hamburger Literaturwissenschaftler Manfred Geier in letzter Zeit Bücher über Kant, die Brüder Humboldt (JF 12/09), Karl Popper oder den „Wiener Kreis“ veröffentlicht. Thematisch ließ sich dieser ideenhistorische Stoff leicht zu einer Synthese unter dem Signum „Aufklärung“ verarbeiten. Das ist nun geschehen, und dem Geier-Leser begegnen im jüngsten Werk des Autors alte Bekannte wie der Königsberger Alleszermalmer, der „aufgeklärte Staatsdenker“ Wilhelm von Humboldt und Popper, begleitet vom „deutschen Sokrates“, dem für jüdische Gleichberechtigung streitenden Moses Mendelssohn, von John Locke, dem „Entdecker der Menschenrechte“, und Jean-Jacques Rousseau zu englischen Freidenkern und französischen Enzyklopädisten des 17. und 18. Jahrhunderts. Welchen Beitrag Jürgen Habermas zur Aufklärung geboten haben soll, bleibt einzig des Autors Geheimnis. Ansonsten schöpft Geier aus soliden Kenntnissen, komponiert mit lockerer Hand und macht, gut lesbar, mit den Grundlagen des abendländischen Selbstverständnisses in der Neuzeit vertraut, die für das Projekt Europa bedeutend wichtiger sind als der Euro. (lh)

Manfred Geier: Aufklärung. Das europäische Projekt. Rowohlt Verlag, Reinbek 2012, gebunden, 415 Seiten,          24,95 Euro

 

Deutsch-Deutsches. Wie Kaminplaudereien so sind: Im ersten Moment reißen sie kaum vom Hocker, dann aber entwickeln sie mitunter diesen eigentümlichen Sog, der die Aufmerksamkeit in Bann schlägt. So auch, wenn sich SPD-Urgestein Egon Bahr und der Schriftseller und ehemalige DDR-Meisterkabarettist Peter Ensikat ein gemeinsames Stelldichein als Zeitzeugen der deutschen Nachkriegsgeschichte geben. Zwar muß diese aufgrund dieses Gesprächsbandes nicht neu geschrieben werden, und doch beleuchten die zwei in zahlreichen fesselnden Nuancen, wie das damals eben so war. Bahr soll dabei für die westdeutsche Perspektive sorgen, Ensikat für die der Deutschen in der DDR. Bedauerlich nur, daß der Verlag keinen Vertreter für die Perspektive des dritten Deutschlands dieser Zeit geladen hatte: nämlich die Vertriebenen, die mit zwölf Millionen angesichts der etwa nur 18 Millionen Deutschen in der DDR zweifellos keine Quantité négligeable waren. (mo)

Egon Bahr, Peter Ensikat: Gedächtnislücken. Zwei Deutsche erinnern sich. Aufbau-Verlag, Berlin 2012, gebunden, 204 Seiten, 16,99 Euro

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