© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/12 23. März 2012

Gewalt und Obszönitäten
Kriminalität: Im niedersächsischen Uelzen stehen zwei jugendliche Mitglieder der „Douglas-Bande“ wegen versuchten Totschlags vor Gericht
Hinrich Rohbohm

Es herrscht geschäftiges Treiben in der Uelzener Innenstadt. Zahlreiche Bürger der 34.000 Einwohner zählenden Stadt im Nordosten Niedersachsens nutzen die frühlinghaften Temperaturen für einen Bummel durch die Fußgängerzone, verweilen in den Eiscafès, die bereits Tische und Stühle auf die Straße gestellt haben. In die noch unbelaubten Bäume haben Geschäftsleute Ostereier gehängt. Doch die Kleinstadtidylle hat Risse bekommen.

Im vergangenen Jahr war der Ort von einer Jugendbande terrorisiert worden. Zehn bis zwölf Heranwachsende im Alter von 18 bis 21 Jahren, deren Anführer arabischer und osteuropäischer Herkunft sind. Mit Schutzgelderpressungen, Ladendiebstählen, Pöbeleien und Körperverletzungen hatten sie die Uelzener Geschäftswelt in Atem gehalten, Verkäuferinnen beleidigt und bespuckt, Waren umgeschmissen. Polizeiliche Ermittler nennen sie die „Douglas-Bande“, weil sie sich zumeist vor der Parfümerie in der Lüneburger Straße trafen. Zum Leidwesen des Geschäfts übernahmen die Medien die griffige Bezeichnung.

„Das ist für uns natürlich äußerst ärgerlich und imageschädigend. Schließlich können wir doch nichts dafür, daß sich die Bande ausgerechnet vor unserem Geschäft trifft“, macht die Leiterin der Filiale ihrem Unmut Luft. Auch in ihren Laden sei die Bande gekommen, berichtet sie. „Die waren schon ziemlich frech“, erinnert sie sich an Beleidigungen und Obszönitäten, die sie nicht wiedergeben möchte. Nach den ersten Diebstählen sei der Gruppe „sofort ein Hausverbot“ erteilt worden.

Doch einigen Bandenmitgliedern werden noch weit schwerwiegendere Taten zur Last gelegt. Zwei von ihnen müssen sich derzeit wegen versuchtem Totschlag vor der Jugendkammer des Landgerichts Lüneburg verantworten. Der Zeugenaussage einer Krankenschwester zufolge hatten sie am 2. Juli 2011 gegen drei Uhr morgens einem 41 Jahre alten Mann eine Bierflasche aus zwei Metern Entfernung ins Gesicht geworfen. Die Flasche sei zersplittert. Als der Mann blutüberströmt zu Boden ging, habe man ihn noch mit Tritten gegen den Kopf malträtiert. Das Opfer erlitt einen Bruch der Stirnhöhle, die Täter flüchteten. Der Zeugin zufolge habe akute Lebensgefahr bestanden.

Hierfür angeklagt sind Ismail N. und Robert K. Beide 19 Jahre alt, kurzer Haarschnitt, kräftiger Oberkörper. Beide wegen zahlreicher Gewalttaten dem Gericht seit Jahren bekannt und derzeit in Untersuchungshaft. Für ihren Prozeß wurden hohe Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Zuschauer müssen durch eine Sicherheitsschleuse, werden zudem von Justizbeamten vor Betreten des Gerichtssaals durchsucht. Mehrfach hatten Familienangehörige der Angeklagten versucht, Zeugen einzuschüchtern. Auch Justiz und Presse wurden beschimpft. Die örtliche Zeitung erhält Drohanrufe, Redakteure werden vor Gericht fotografiert und beleidigt. In der Nacht nach der Festnahme der Beschuldigten wurden bei einem Zeugen die Autoreifen zerstochen. Einen Tag später zitiert der Vater eines Angeklagten den Zeugen in eine Uelzener Gaststätte, läßt ihn eine Aussage unterschreiben, mit der sein Sohn entlastet wird.

Drei weitere Bandenmitglieder sitzen derzeit ebenfalls in Untersuchungshaft. Sie sollen in das Geschäft eines Kaufmanns gestürmt, ihm ein Messer vorgehalten und Schutzgeld gefordert haben. Auch ein Teegeschäft wurde Opfer der Bande. Der Inhaber des Geschäfts wirkt eingeschüchtert und möchte nichts dazu sagen. Andere Gewerbetreibende sprechen davon, daß auch Angehörige einer als „El-Zein-Mafia“ in der Stadt berüchtigten kurdisch-libanesischen Großfamilie der „Douglas-Bande“ angehören sollen. „Die leben schon seit langem hier in Uelzen“, weiß ein Einzelhandelskaufmann zu berichten, der einst mit einem Mitglied der Familie zur Schule gegangen war. „Sieben bis acht Brüder“ seien es ursprünglich gewesen. „Einer von denen sitzt eigentlich immer im Knast“, beschreibt er die kriminelle Energie der Familie. Verkäufer wissen zu berichten, daß es sich bei den Bandenmitgliedern um Kinder dieser Brüder handeln soll.

Ob Leute aus der El-Zein-Familie der „Douglas-Bande“ angehören, möchte Polizeipressesprecher Kai Richter „weder dementieren noch bestätigen“. Ein Migrationshintergrund liege bei mehreren Bandenmitgliedern vor. „Auch Deutsche waren dabei“, sagt der Beamte, der zur genauen Nationalität der einzelnen Bandenmitglieder keine Angaben machen möchte. „Wir neutralisieren so etwas immer“, stellt Richter klar. In Internet-Leserkommentaren zu Zeitungsberichten über die „Douglas-Bande“ taucht mehrfach der Name El-Zein auf. Eine „nancy el-zein“ etwa verteidigt die Douglas-Bande gegenüber zahlreichen Unmutsäußerungen von Lesern, die sich unter anderem darüber beschweren, daß Medien nicht Roß und Reiter nennen und die Herkunft der Bandenmitglieder nicht ausreichend herausstellen würden. „Free Douglas Bande“ schließt ihr Kommentar. Hinter dem Satz sind zwanzig Ausrufezeichen angefügt. Auch eine „Jumana El-zein“ verteidigt die Bande im Internet.

Inzwischen hat sich auch die Landespolitik in den Fall der „Douglas-Bande“ eingeschaltet. Die Grünen wollen sich über „Maßnahmen und Strategien der Landesregierung“ unterrichten lassen. Das Verhalten der Bande dürfe „nicht hingenommen werden“, kommentiert die SPD das Geschehene. Und Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) war gar persönlich nach Uelzen gekommen, um zu erklären, daß der Rechtsstaat nicht erpreßbar sei. Der Prozeß gegen Ismail N. und Robert K. wird voraussichtlich noch bis Ende April andauern. Gegen die drei mutmaßlichen Schutzgelderpresser soll ab dem 18. April verhandelt werden.

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