© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Denken und Handeln in Generationen
Kongreß der bayerischen Familienunternehmer: Warnung vor Steuererhöhungen / Ungelöste Probleme der deutschen Energiewende
Wolfhard H. A. Schmid

Daß Bayern nach Baden-Württemberg über die niedrigste Arbeitlosenquote (4,2 Prozent) verfügt, ist bekannt. Weniger bekannt dürfte sein, daß die bayerischen Mittelständler zu 80 Prozent daran beteiligt sind, wie der Landesvorsitzende der Familienunternehmer (ASU), Martin Schoeller anläßlich des ersten Kongresses seines Verbandes in München hervorhob. In Zeiten des Vertrauensschwundes wegen Staatsverschuldung, Bankenkrise und den Auswüchsen des Finanzkapitalismus würden sich die Vorzüge der Familienunternehmer auszahlen – sie könnten Hochqualifizierte unter solchen Rahmenbedingungen einbinden, daß sie auch mit dem Herzen langfristig beim Unternehmen dabeiblieben.

Eine solche Antwort auf das Share-Holder-Value-Denken in den Großkonzernen kommt inzwischen auch bei der Politik an. So begrüßte vorige Woche der bayerische Kultusminister Wolfgang Heubisch (FDP) 300 Kongreßteilnehmer im Münchner Maximilianeum, dem traditionsreichen Gebäude des Landtags. An der Dialogrunde mit der Politik nahmen von Regierungsseite Finanzstaatssekretär Franz Josef Pschierer (CSU) und FDP-Fraktionschef Thomas Hacker teil. Die Opposition war mit SPD-Landeschef Florian Pronold und dem finanzpolitischen Sprecher der Grünen, Eike Hallitzky, vertreten. Die Freien Wähler (FW), immerhin drittstärkste Fraktion im Landtag, waren hingegen nicht eingeladen – ob das der Euro-Kritik von FW-Chef Hubert Aiwanger geschuldet war, darüber läßt sich nur spekulieren.

Heiß diskutiert wurde – unter Moderation von Sigmund Gottlieb vom Bayerischen Fernsehen – die Frage „Der Staat als Unternehmen?“ Was darunter zu verstehen ist, wurde nicht klar. Und die Dialogrunde war bereits vom Wahlkampf beherrscht, obwohl erst im Herbst 2013 gewählt wird. Der SPD und den Grünen wurde vorgehalten, daß sie sich von der „Agenda 2010“ verabschieden wollten, andererseits erhält Rot-Grün in Familienunternehmerkreisen noch heute viel Lob wegen der Erbschaftssteuerreform. Dadurch habe man eine gesunde Basis für den unternehmerischen Generationswechsel geschaffen. Die damals entwickelten Rahmenbedingungen seien für die derzeit stabile Wirtschaft in Deutschland mit verantwortlich. Dies klang bei den Wortmeldungen der Familienunternehmer immer wieder durch.

Eberhard Sasse von dem Gebäudedienstleister Dr. Sasse lobte hingegen besonders die „Superinfrastruktur“ und andere Standortvorteile Bayerns. Viel Beifall erhielt Sasse für seine Aussage, daß Familienunternehmer zwar gerne Steuern dafür zahlen wollen, aber er warnte zugleich vor nebelhaften 50-Prozent-Steuerplänen, welche die Substanz der Firmen verzehren würden.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger, der als prominentester Gast am Familienunternehmerkongreß teilnahm, begann seine Rede zunächst mit politisch korrekten Standardaussagen zur deutschen Schuld am Zweiten Weltkrieg – und daraus leitete er dann mehr als sechs Jahrzehnte nach Kriegsende anhaltende deutsche Verpflichtungen für Europa in der Euro-Krise ab.

Interessanter waren die Ausführungen des früheren CDU-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg zur EU-Finanzlage. Deutschland habe mit 82 Prozent inzwischen einen genauso hohen Schuldenstand wie der Durchschnitt aller EU-Länder. Dies sei ein latentes Problem, das sich durch die demographische Entwicklung noch weiter verschärfen werde, denn wie soll eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung die eingegangenen finanziellen Verpflichtungen schultern?

Bezüglich der deutschen Energiewende verwies Oettinger auf das Einsparungspotential durch Gebäudesanierung – allerdings muß er sich dann auch fragen lassen, ob damit nicht die Tür für neue Subventionen geöffnet wird.  Eine erfolgreiche Energiewende erfordert auch eine Angleichung der teilweise sehr unterschiedlichen Strompreise in den einzelnen EU-Ländern. Subventionen für die energieintensiven deutschen Industrieunternehmen, um Wettbewerbsnachteile auszugleichen, können auf Dauer aber keine Lösung sein. Da könnte Oettinger als EU-Kommissar für bessere Rahmenbedingungen sorgen.

Erstmals wurde auch ein Bayerischer Familienunternehmer-Preis in drei Kategorien verliehen. Hauptgewinner für Nachhaltigkeit war der Pflanzenheilmittelhersteller Bionorica aus dem ober­pfälzischen Neumarkt. Für Innovation wurde die Münchner Firma Bogner mit ihrem inzwischen ausgebauten Internetverkauf für Sport- und Freizeitkleidung prämiert. Und für sein soziales Engagement erhielt der Etikettenhersteller Schreiner Group eine Auszeichnung der Familienunternehmer.

Verband „Die Familienunternehmer – ASU“:  www.familienunternehmer.eu

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen