© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Onkel Sams Geldspeicher
Zu Besuch in Fort Knox: Einst ein Synonym für den Reichtum der USA, dient der schnörkellose Betonbau heute mehr und mehr der Mythenbildung
Ralph Schoellhammer

Wer kennt nicht den Geldspeicher von Walt Disneys Dagobert Duck, dem sprichwörtlich gewordenen reichen Onkel aus Amerika. Wer meint, die Idee des Geldspeichers sei reine Comic-Fiktion, sollte sich in den Nordwesten des US-Bundesstaates Kentucky begeben: Im Grenzbereich dreier Bezirke befindet sich die Militärbasis Fort Knox, und direkt hinter ihr, auf einer kleinen Anhöhe, das United States Bullion Depository. Hinter dieser bürokratischen Bezeichnung versteckt sich der Realität gewordene Geldspeicher Onkel Sams.

Auch die Architektur könnte direkt dem Comic entnommen sein: Fort Knox, wie die Speicheranlage üblicherweise genannt wird, ist ein schnörkelloser Betonbau, welcher schon rein optisch seinen beschränkten Verwendungszweck klarmacht. Von außen betrachtet strahlt Fort Knox den Charme eines Hochsicherheitsgefängnisses aus: Wachtürme, Kameras und mehrere Zäune machen es zu einer Festung innerhalb einer Festung: Wer sie „knacken“ möchte, kann froh sein, wenn er es bis zur ersten Maschendrahtabsperrung schafft.

Der Grund, auf welchem sich Fort Knox befindet, gehört zum gleichnamigen Militärstützpunkt, womit zuerst die Männer der 3. Brigade der 1. US-Infanteriedivision überwunden werden müßten, um wenigstens einmal freie Sicht auf das Goldlager bekommen zu können. Wer versucht, sich Fort Knox zu nähern, fühlt sich unweigerlich an die „Grünen Zonen“ im Irak erinnert.

Verläßt man die Hauptstraße in Richtung des Stützpunktes, begegnet man der typisch ländlichen Szenerie Kentuckys mit ihren endlos langen, weißen Lattenzäunen, den freilaufenden Pferden und grünen Feldern – im Gegensatz zu Bagdad befindet sich in Fort Knox die „grüne“ Zone außerhalb des Militärstützpunkts. Noch bevor man die Anlage überhaupt richtig wahrnimmt, hat bereits der Stacheldrahtzaun den Lattenzaun abgelöst, und obwohl die Felder noch grün sind, warnen die ersten Schilder vor militärischem Sperrgebiet. Panzer, Uniformen und schwere Waffen zeigen eine zunehmende militärische Präsenz mit jedem Kilometer, doch trotz dieses martialischen Auftretens spielt das Militär bei der Bewachung der Goldreserven nur die zweite Geige.

Die tatsächliche Sicherung wird von der United States Mint Police, der Bundeswährungspolizei, wahrgenommen. Dieses eigenständige Exekutivorgan wurde 1792 mit der alleinigen Aufgabe geschaffen, Geld- und Goldbestände sowie Geldpressen und Münzprägereanstalten zu bewachen.

Wie bei einem Geheimbund wissen nur Mitglieder dieser Spezialeinheit über die Sicherheitsvorkehrungen innerhalb der 1935 errichteten Anlage Bescheid. Selbst die US-Regierung hat nur beschränkten Einblick hinter die Granitmauern und zwanzig Tonnen schweren Spezialtüren. Errichtet wurde der Goldspeicher aufgrund einer Verordnung Präsident Roosevelts aus dem Jahre 1933, in welchem die US-Bürger per Gesetz verpflichtet wurden, ihren privaten Goldbesitz an die Regierung zu verkaufen. Um den neuen Goldreichtum der Bundesregierung auch hinreichend schützen zu können, wurde das Bullion Depository in Kentucky errichtet. Doch trotz der nominellen Form einer offiziellen Regierungseinrichtung ist der Zugang nur schwer möglich. Die letzte Inspektion durch Medienvertreter und Mitglieder des Kongresses fand 1974 statt.

Zwar dürfen die Amerikaner mittlerweile wieder privat Gold besitzen, doch besonders in der hitzigen Debatte über die Rolle des Staates in einem modernen Amerika gewinnt Fort Knox wieder an Symbolkraft. Die Goldreserven in Kentucky sind zum jetzigen Zeitpunkt circa 300 Milliarden Dollar wert, ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zur staatlichen Gesamtverschuldung von fast 16 Billionen Dollar. Und wie so oft steht Fort Knox damit auch im Zentrum von mancherlei Theorien: Der Mitstreiter um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, Ron Paul, fordert eine unabhängige Überprüfung der Goldreserven. Seiner Meinung nach sei es durchaus möglich, daß sich überhaupt kein Gold mehr in den Kammern von Fort Knox befindet – und die US-Regierung mit der Fiktion ihrer Reserven den Dollarpreis stützt und gleichzeitig den weltweiten Goldpreis nach unten drückt.

Als der einflußreichen US-Goldkommission im Sommer 2011 der Vorschlag einer unabhängigen Überprüfung der Reserven unterbreitet wurde, lehnten 15 der 17 Kommissionsmitglieder ab. Trotz der Unwahrscheinlichkeit leerer Tresore sind sich die Kommissionsmitglieder der symbolischen Wirkung bewußt: Wie schlimm muß es um die Wirtschaft bestellt sein, wenn man die Hilfe Dritter benötigt, um sein Kleingeld zu zählen.

Daß Fort Knox in Europa überhaupt ein Begriff ist, hat man einem Engländer zu verdanken: Ian Flemings Roman „Goldfinger“ handelt von dem Plan eines Superschurken, der vorhat die Goldreserven zu stehlen. Der Roman wurde als Teil der James-Bond-Reihe mit Gert Fröbe als Auric Goldfinger verfilmt. Spätestens seit dem Erscheinen des Films 1964 wurde der Name „Fort Knox“ zum Synonym für den Reichtum der USA.

Dementsprechend groß ist die Enttäuschung vieler Goldfinger-Fans, die nach Fort Knox pilgern – die finalen Szenen wurden im Studio geschossen, und selbst die Dreharbeiten in der Nähe der Anlage wurden nur widerwillig vom Militär erlaubt.

Das ist vielleicht mit ein Grund, warum Fort Knox immer wieder im Zentrum von Verschwörungstheorien steht: Im Vergleich zu dem, was wahrscheinlich innerhalb der Anlage vor sich geht, könnten einige der Gerüchte tatsächlich aus einem James-Bond-Roman stammen. „Egal welcher Irrsinn das Land gerade prägt, bei uns laufen die Fäden zusammen“, erzählt dann auch Curtis Greenwell, der im nahe gelegenen Bedrock-Cafe eine Vormittagspause einlegt. „In den 1950er Jahren war es das Ufo von Roswell, welches angeblich in Fort Knox versteckt wurde, und nach dem 11. September hieß es, daß die Beweise für den Abschuß des United-Airlines-Fluges 93 hier vor der Öffentlichkeit verborgen werden.“

Im März 2012 erscheint Fort Knox wie das Disneyland der Weltverschwörer – mit nur einem Haken: Man kann hier kein Ticket lösen und einfach so hineinspazieren. Die Unmöglichkeit, Fort Knox einen persönlichen Besuch abzustatten, trägt natürlich viel zur Mythenbildung bei, so sind die Goldreserven der New Yorker Federal Reserve eigentlich größer als jene in Kentucky, doch hat die New Yorker Fed keine eigene Armee oder einen Geldspeicher wie Fort Knox – das Gold liegt in gesicherten Tiefgeschossen in Manhattan, im Keller, sozusagen.

Gerade deshalb zahlt sich ein Besuch vielleicht doch aus: Wenn die letzten Warnschilder im Rückspiegel verschwinden, überkommt einen das surreale Gefühl, Amerika etwas besser zu kennen, ohne wirklich etwas zu sehen bekommen zu haben. Fort Knox ist eben nicht nur eine Goldlagerstätte, sondern auch ein Symbol, in welchem sich auch der aktuelle Zeitgeist in den Vereinigten Staaten widerspiegelt. Ufos in den 1950er Jahren, Superwaffen in den Sechzigern, oder eben die Regierung belastende Dokumente nach den Anschlägen von 2001.

Der aktuellste Mythos, daß womöglich gar kein Gold mehr in den Tresoren liegt, kann auch als Analogie zu den USA im 21. Jahrhundert verstanden werden: von der unbezwingbaren Festung unbeschreiblichen Reichtums zu einem Riesen auf tönernen Füßen, militärisch zwar noch immer imposant, aber finanziell bereits völlig ausgehölt.

Foto: Das United States Bullion Depository auf der Militärbasis Fort Knox im US-Bundestaat Kentucky: Die letzte Inspektion durch Medienvertreter und Mitglieder des Kongresses fand im Jahr 1974 statt

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