© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Frisch gepresst

Juni 1941. In einer Gretchenfrage zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges, ob nämlich die Wehrmacht im Juni 1941 einem Angriff der Roten Armee knapp zuvorgekommen sei und einen „Präventivkrieg“ geführt habe, erweckt „Die Grenzschlacht“ anfangs den Eindruck der Unentschiedenheit. Ob Stalin 1941 einen Angriff auf Deutschland beabsichtigte, so meinen Thomas Kühn und Ralf Hoffmann zunächst, könne (noch nicht) schlüssig beantwortet werden. Im Verlauf ihrer Analyse der sich seit 1940 vollziehenden gigantischen sowjetischen Kräftemassierung bestreiten sie dann aber, daß dieser „Aufmarsch“, wie von Viktor Suworow oder Walter Post behauptet, von der „Aggressionsplanung gegen Deutschland“ zeuge. Andererseits wollen sie dem israelischen Zeithistoriker G. Gorodetzky nicht zustimmen, der die Sowjetunion von jeglicher Angriffsabsicht freispricht. Leider verschwindet aber die originelle eigene abgrenzende Interpretation der „vermeintlichen Mobilmachung“ in einem Wust militärhistorischer Detailmalerei. Was jedoch seriöse Forscher außerhalb des geschichts-ideologischen Spektrums nicht der Mühe enthebt, sich mit diesem neuen Deutungsangebot auseinanderzusetzen. (ob)

Thomas Kühn, Ralf Hoffmann: Die Grenzschlacht. Die Operationsführung der Roten Armee ab Juni 1941. Helios Verlag, Aachen 2011, gebunden, 335 Seiten, Abbildungen, 34 Euro

 

Regionalcharakter. Ist der Niedersachse temperamentvoll? Neigt der Schwabe zur Melancholie? Sind Bayern aggressiver als Franken? Was ist dran an diesen Stereotypen? Gibt es so etwas wie Regionalcharaktere überhaupt? Der Historiker und Anthropologe Andreas Vonderach versucht anhand empirischer Daten aufzuzeigen, daß Stereotypen reale Verhaltensunterschiede zugrunde liegen. Dazu untersucht er 364 Regionalcharakter-Beschreibungen aus dem ganzen deutschen Sprachgebiet aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, Schriften von Volkskundlern, Historikern, Geistlichen und Schriftstellern von Theodor Fontane bis Gustav Freytag, wie auch historische Belege, etwa Kriminalstatistiken. Selbst überaus belastete Argumentationspfade, wie jene des NS-Anthropologen und Rasseforschers Friedrich Keiter mit seiner Studie „Ansätze zur Volkscharakterkunde im volkskundlichen Schrifttum“ von 1936, läßt Vonderach nicht unbeachtet. (af)

Andreas Vonderach: Die deutschen Regionalcharaktere. Psychologie und Geschichte. Husum Verlag, Husum 2012, broschiert, 204 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro

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