© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Jost de Jager will in Kiel neuer Ministerpräsident werden. Doch mit welchem Partner?
Der Mustersohn
Hans-Joachim von Leesen

Bei der nächsten Landtagswahl in vier Wochen, am 6. Mai, treten mit dem Christdemokraten Jost de Jager, 47, und dem Sozialdemokraten Torsten Albig, 48, in Schleswig-Holstein zwei Spitzenkandidaten an, die einander nicht unähnlich sind: Beide wollen Ministerpräsident werden, beide haben dazu auch die Chance. Und auch das haben sie gemeinsam: Sie können sicher sein, daß weder die CDU noch die SPD allein die neue Landesregierung bilden kann.

Obwohl de Jager bereits seit 2005 Mitglied der Landesregierung ist – zunächst Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, seit 2009 Minister im selben Ressort –, war er der Öffentlichkeit lange kaum aufgefallen. Als der gebürtige Rendsburger nach dem blamablen Ausfall Christian von Boettichers im Sommer 2011, wegen dessen Liebesbeziehung zu einer Minderjährigen, als neuer CDU-Landeschef und Spitzenkandidat ins Rampenlicht geschoben wurde, war seine Charakterisierung überall gleich: nüchtern, unauffällig, fleißig, solide, zuverlässig, freundlich.

Die meisten Adjektive könnten auch auf seinen Kontrahenten Torsten Albig gemünzt sein, der als Jurist seit 1996 im Büro des damaligen SPD-Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine tätig war und ihm nach Berlin folgte, um Sprecher des Bundesfinanzministers zu werden. Nach Lafontaines „Flucht“ diente Albig in derselben Funktion den Nachfolgern Hans Eichel und ab 2006 Peer Steinbrück. 2009 bewarb er sich um das frei gewordene Amt des Oberbürgermeisters von Kiel und wurde mit deutlicher Mehrheit gewählt. Dann ging es nur noch darum, den bisherigen SPD-Landeschef Ralf Stegner als Spitzenkandidaten auszuschalten, was ihm gelang – offenbar ohne Wunden zu schlagen.

Keinen der Kandidaten kann man einem bestimmten Partei-flügel zuordnen. Sie sind sich auch darin gleich, daß ihr Weg vom Studium direkt in die Politik führte, bei de Jager nur unterbrochen durch ein Volontariat beim Evangelischen Pressedienst, bei Albig durch zwei Jahre als Sprecher der Dresdner Bank in Frankfurt am Main. Während nach einer Befragung im Februar CDU und SPD mit je dreißig Prozent gleichauf lagen, hatten sich die Zahlen bis Ende März laut Infratest-Dimap verschoben: Danach würden 34 Prozent die CDU wählen, während nur 32 Prozent der SPD zuneigen.

Erholt hat sich die FDP auf jetzt vier Prozent, sie kann also hoffen, wieder in den Landtag zurückzukehren. Da aber die Grünen bei 15 Prozent liegen und die SSW, die Partei der dänischen Minderheit, die von der Fünf-Prozent-Klausel befreit ist, angekündigt hat, sich an einer linken Koalition zu beteiligen, scheint eine „bürgerliche“ Mehrheit in weiter Ferne zu liegen. Anders wäre ein Situation, wenn Piraten und Linken der Sprung in den Landtag gelänge; dann säßen dort sieben Fraktionen – willkommen in der neuen Unübersichtlichkeit.

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