© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Konservative Gegenöffentlichkeit
Politische Bildung: Vor fünfzig Jahren gründete sich in Köln die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft
Nils Wegner

Die erste Kandidatur Willy Brandts für das Amt des Bundeskanzlers im September 1961 alarmierte die nationalkonservativen Kräfte, auch in der CDU. Zwar unterlag der Herausforderer Brandt dem alten Kanzler Konrad Adenauer, doch verloren die Christdemokraten ihre absolute Mehrheit im Bundestag, während die SPD einen deutlichen Wählerzuwachs verzeichnen konnte. Die Konservativen fürchteten nun, ein weiterer Umschwung der politischen Verhältnisse nach links könnte zur Bildung einer neuen „Volksfront“ aus Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschaften führen.

Vor diesem Hintergrund wurde am 9. April 1962 in Köln die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft (SWG) gegründet. Vorsitzender dieser dezidiert antikommunistischen Organisation wurde Hugo Wellems, zuvor umtriebiger Funktionär der christlich-nationalen Deutschen Partei, die vor der Wahl 1961 von der CDU desavouiert worden war und sich auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit befand. Als ihren Auftrag sah die SWG staatsbürgerliche Bildungsarbeit. Vor allem durch Vortragsveranstaltungen namhafter Persönlichkeiten sollte dazu beigetragen werden, die befürchtete sozialdemokratische Machtübernahme abzuwehren. Durch Wellems ergab sich von Anfang an eine enge Verzahnung mit der CSU und ihrem Vorsitzenden Franz Josef Strauß. Dank erheblicher Spenden aus Industriekreisen war es der SWG möglich, in den folgenden zehn Jahren umfassend direkte Unterstützungsarbeit für die Union zu leisten – auch durch scharfe Agitation gegen die SPD und ihren Vorsitzenden Willy Brandt.

Für Furore sorgte zu den Neuwahlen im November 1972 der ehemalige SPD-Bundesfinanzminister Karl Schiller, der aus Protest gegen die Wirtschaftspolitik Bundeskanzler Brandts zurückgetreten war. Schiller hatte zusammen mit Ludwig Erhard in einer Werbeanzeige der SWG dazu aufgefordert, Strauß zu wählen. Kurz darauf setzte sich ein leitender Mitarbeiter nach Österreich ab und „enthüllte“ dort auf einer Pressekonferenz, daß in der SWG angebliche „alte Nazis“ und Vertreter der „Industrie, die schon Hitler zur Macht verholfen hat“, zusammenarbeiteten. Im Folgejahr wurde der Vereinssitz von Köln nach Hamburg verlegt, wo Wellems seit 1968 Chefredakteur des Ostpreußenblattes war. Von dort aus war die Gesellschaft in den siebziger Jahren intensiv an der Vorbereitung einer bundesweiten Ausdehnung der CSU beteiligt, dem Projekt „Vierte Partei“. Damals seien bereits Plakate für CSU-Gründungsversammlungen in Niedersachsen gedruckt worden, die jedoch nach nie an die Öffentlichkeit gelangten, weil die CSU ihre Expansionspläne schließlich wieder aufgab.

Nach dem Tode Hugo Wellems’ 1995 übernahm Brigadegeneral a. D. Reinhard Uhle-Wettler den Vorsitz der SWG; 2008 folgte ihm der Wirtschaftsjurist Menno Aden nach. Bis heute ist die Gesellschaft ihrem Anspruch, bürgerlich-konservative Denkfabrik zu sein, treu geblieben. Dabei verfolgt sie jedoch einen eher realpolitischen Ansatz, anders als beispielsweise das Institut für Staatspolitik (JF 12/12). In Hamburg veranstaltet sie nach wie vor Vorträge prominenter Fachleute zu politischen, ökonomischen und sozialen Themen; dabei steht sie nach eigener Aussage auf den „vier Säulen“ Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Staatstreue und „Verantwortung für Mensch und Schöpfung“. In den vergangenen Jahren häuften sich die Kampagnen von Linksextremisten gegen die SWG. Diese erreichten 2008 einen Höhepunkt, als die SWG den russischen Historiker Wjatscheslaw Daschitschew einlud. Seitdem müssen die Vorträge häufig auf den Häusern von Hamburger Studentenverbindungen stattfinden, die nicht so leicht durch Drohungen der Antifa aus der Fassung zu bringen sind wie die Vermieter größerer Veranstaltungräume.

Für ihre Jubiläumsfeier am 12. Mai konnte trotzdem das Hamburger Logenhaus in der Moorweidenstraße anzumietet werden. Anläßlich der 50-Jahr-Feier wird außerdem in der SWG-Publikation Deutschlandjournal (JF 13/12) eine umfassende Liste aller Persönlichkeiten erscheinen, die auf Veranstaltungen der Gesellschaft gesprochen haben.

www.swg-hamburg.de

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