© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Säbelrasseln für den großen Führer
Nordkorea: Geplanter Raketenstart soll „Tag der Sonne“ schmücken / Irritationen bei Nachbarn
Friedrich-Wilhelm Schlomann

In einem bisher unbekannten Ausmaß wird die „Demokratische Volksrepublik Korea“ am 15. April den 100. Geburtstag des ersten Mannes ihrer Diktatur und des Begründers der Kim-Dynastie feiern. Alles arbeitet auf den offiziellen „Tag der Sonne“ hin. Der von Kim Il-sung selber eingeführte Götzenkult um ihn dauert bis heute an: Die Untertanen und ebenso alle ausländischen Besucher haben sich voller Ehrfurcht und Demut vor seiner vergoldeten Statue zu verneigen. Ganze Delegationen werden seinen Geburtsort besuchen. Zahllose Museen sind ihm gewidmet, und bei aller Stromknappheit im „Paradies“ werden seine riesengroßen Porträts stets die ganze Nacht mit Scheinwerfern angestrahlt.

Das Ausland mag dies als krassen Auswuchs einer spätstalinistischen Diktatur abtun, wenn es dabei nicht zugleich um ein anderes Ereignis ginge. Denn zu Ehren Kim Il-sungs wird Nordkorea in jenen Tagen den angeblichen Wetter-Satelliten „Kwangmyongsong-3“ in den Orbit transportieren. Der Start erfolgt mit einer potentiell mit Sprengköpfen bestückten Langstreckenrakete „Unha-3“ vom Typ „Taepodong-2“, deren Reichweite mit 6.700 Kilometern auch Alaska treffen könnte. Ein erfolgreicher Start würde dann letztlich bedeuten, daß der Norden die letzte Entwicklungs-phase einer Interkontinentalrakete erreicht hat.

Daß der avisierte Start Uno-Resolutionen verletzt, wird für das Regime ohne Interesse sein. Nur stellt er aber auch einen Bruch des Moratoriums vom 29. Februar dieses Jahres zwischen Washington und Pjöngjang dar, das umfangreiche Nahrungsmittelhilfe für die hungernde Bevölkerung Nordkoreas, gegen das Versprechen, das Nuklearwaffenprogramm mit allen Tests auszusetzen, vorsah. Entsprechend haben die Vereinigten Staaten ihre Zusage für Lebensmittellieferungen zurückgezogen.

US-Präsident Barack Obamas vorsichtige Annäherungspolitik erscheint somit erst einmal gescheitert. Doch Obama steht nicht allein. Denn in bisher nicht vorhandener Einmütigkeit haben die Präsidenten der Vereinigten Staaten, Rußlands und selbst Nordkoreas engster Verbündeter China Pjöngjang aufgefordert, die Raketenpläne aufzugeben, und – in bisher unbekannter Deutlichkeit – die Führung Nordkoreas ermahnt, primär den Lebensstandard der Bevölkerung zu verbessern.

Für internationale Irritationen sorgte bereits der Start zweier Kurzstreckenraketen. Infolge drohten sowohl Südkorea als auch Japan mit einem Abschuß der geplanten Langstreckenrakete, sollte diese deren Territorien überfliegen. Die Zeichen deuten auf Eskalation. Einen Rückzieher kann sich der designierte neue Diktator Kim Jong-un, der am 11. April auf einer Sonderkonferenz der regierenden Einheitspartei zu deren Generalsekretär gewählt werden soll, nicht erlauben. Schließlich will er in die Fußstapfen seines im Dezember 2011 verstorbenen Vaters Kim Jong treten und darf gegenüber dem Westen keine Schwäche zeigen.

Glaubt man den Experten westlicher Geheimdienste, die die Bilder ihrer Spionagesatelliten regelmäßig auswerten, hat Nordkorea bereits alle Vorbereitungen für einen Raketenstart in Dongchang-ri, in der nordwestlichen Cholsan-Provinz, getroffen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen