© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

„Heil Kortzfleisch!“
Science-fiction-Klamotte: „Iron Sky“ kommt in die Kinos
Wolfgang Paul

Im Jahr 2018 werden die schlimmsten Befürchtungen bundesdeutscher Sittenwächter wahr: Eine Siedlung überlebender Nazis wird entdeckt – nicht in Südamerika, sondern auf dem Mond. Dorthin hat sich eine Schar deutscher Nationalsozialisten kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges mit Hilfe von „Reichsflugscheiben“ gerettet. Auf der erdabgewandten, der dunklen Seite des Mondes haben sie eine riesige hakenkreuzförmige Station errichtet. Dort werden sie von zwei amerikanischen Astronauten entdeckt, die zum Mond geschickt wurden, um die Wiederwahl der amerikanischen Präsidentin (Stephanie Paul), die Sarah Palin verblüffend ähnlich sieht, zu sichern.

Daß der afroamerikanische „Untermensch“ James Washington (Christopher Kirby) vom genialischen Wissenschaftler Dr. Richter (Tilo Prückner) sofort albinisiert wird und fortan mit bleicher Haut und blonden Haaren herumläuft, ist nur einer von vielen Witzen, die sich der Film „Iron Sky“ mit den Nazis der dritten und vierten Generation erlaubt. Washington ist zudem im Besitz eines iPhones, das über den Baustein verfügt, der dem fieberhaft forschenden Dr. Richter noch für das neue Raumschiff „Götterdämmerung“ fehlt, um auf die Erde zurückzukehren und die Weltherrschaft im Endsieg zu erringen.

Es ist eine Truppe aus dem Comic-Buch, die uns der finnische Regisseur Timo Vuorensola (JF-Porträt 9/12) in seinem skurrilen Werk vorführt. Ihr Anführer Wolfgang Kortzfleisch wird von Udo Kier in gewohnt dämonischer Manier verkörpert. Sein größter Rivale ist der junge schneidige Nachrichtenübermittlungsführer Klaus Adler (Götz Otto), der Renate Richter (Julia Dietze), die blonde Englischlehrerin und Tochter des Wissenschaftlers, umwirbt. Sie soll die kleinen Jungen und Mädchen der Mondkolonie in der aktuellen Weltsprache Englisch unterrichten und mit der großen nationalsozialistischen Vergangenheit vertraut machen.

Dazu hat die Ideologie-Abteilung einen Propagandafilm produziert, eine auf fünf Minuten gekürzte Fassung des Chaplin-Films „Der große Diktator“, welche den Führer als großen Friedensbringer zeigt, wie er liebevoll mit der Weltkugel spielt. Später wird Renate auf der Erde die Originalfassung in einem amerikanischen Kino sehen und ihre eigenen Schlüsse ziehen …

Allein dieses Motiv zeigt, daß die Drehbuchautoren, die Finnin Johanna Sinisalo und der Kanadier Michael Kalesniko, ihre Filmgeschichtslektionen parat haben. Gab doch Chaplin seinerzeit Anlaß zu der besorgten Frage, ob man über Hitler und das Dritte Reich eine Komödie drehen dürfe. Sie ist längst positiv beantwortet, und so steht es „Iron Sky“ frei, auf Vorbilder augenzwinkernd anzuspielen: Der verrückte Dr. Richter erinnert weniger durch sein Aussehen als durch sein Gebaren an Kubricks „Dr. Seltsam“. Die „Star Wars“-Filme und „Independence Day“ sind ebenso mit von der Partie wie Tim Burtons unvergeßlicher Spaß „Mars Attacks!“

Die Seitenhiebe werden gut verteilt. New Yorker Gangsta Boys bedrohen die gerade gelandeten Nazis und amerikanische Neonazis die arglose Renate. Die Nazi-Parolen – „Wir kommen in Frieden!“ heißt der Untertitel des Films – landen geradewegs im Wahlprogramm der Präsidentin, während deren erotisierende PR-Beraterin Vivian Wagner, umwerfend gespielt von Peta Sergeant, ein begehrliches Auge auf den blonden Hühnen Klaus wirft.

Eine „Science-fiction-Trash-Komödie“ soll „Iron Sky“ sein, und eine gute noch dazu. Eine phantasievoll finanzierte ist sie auf jeden Fall. Mit seiner Billigproduktion „Star Wreck“ hatte Vuorensola schon eine Fangemeinde im Internet versammelt. Sie wurde auch am Entstehen von „Iron Sky“ beteiligt. Nach Hilfeaufrufen gingen 750.000 Euro ein, als den Produzenten das Geld auszugehen drohte. Der Film soll insgesamt 7,5 Millionen Euro gekostet haben, im Grunde ein lächerlicher Betrag, schaut man sich das aufwendig daherkommende Ergebnis an. Am meisten erstaunt jedoch, daß der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) und die Hessische Filmförderung dieses politisch unkorrekte Projekt mitfinanziert haben.

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