© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Stadtbild Rom: Geschichte im Dekor des Faschismus
Achitektonische Machtphantasien
(lk)

Wer zum Osterfest in Rom weilt, nimmt an einer „faschistischen Inszenierung“ teil. Selbstredend meint Martin Baumeister, Münchner Ordinarius für Europäische Geschichte, damit nicht die Teilhabe an den österlichen Feierlichkeiten des Vatikans. Deshalb ist Rom nicht nur zu Ostern, sondern ganzjährig immer noch die Hauptstadt Benito Mussolinis. Denn Italiens Faschistenführer, den im Oktober 1922 sein „Marsch auf Rom“ an die Macht brachte, habe das propagandistisch-politische Potential der „Ewigen Stadt“ optimal genutzt und ihr dauerhaft seinen Stempel aufgeprägt (Einsichten. Das Forschungsmagazin der Uni München, 1-2/2011). Kaum jemand wisse, so klagt Baumeister, daß Roms heutige Erscheinung wesentlich Ergebnis urbanistischer Eingriffe unter Mussolinis Regie sei. Weit mehr als im 19. Jahrhundert sei das Stadtbild zwischen Kolosseum, antiken Foren und Pantheon in den „Friedensjahren des Faschismus“ von 1922 bis 1940 entstanden. Rom machten die Architekten des Duce zum „zentralen Ort der Selbstinszenierung des Regimes“, zur Aufmarsch- und Paradebühne des „neuen Italien“. Und dieser „zu Stein gewordene Faschismus“, dessen Erbe zu „wichtigsten Teilen bis heute unverändert auf uns gekommen ist“, befriedige die Bedürfnisse des modernen Massentourismus, der sich von „faschistischen Machtphantasien“ nicht abgestoßen fühle.

www.uni-muenchen.de

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