© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Zäher Bursche
Der Freiwasserschwimmer Thomas Lurz ist ein wahrer Goldesel, nur der Olympiasieg fehlt noch
Fabian Flecken

Ein Extremsport im Einklang mit der Natur“, charakterisiert der Deutsche Schwimm-Verband das Freiwasserschwimmen auf seiner Internetseite. Was auch unter dem englischen Begriff „Open Water“ firmiert, gehört als Langstreckenschwimmen zu den Ausdauersportarten. Die Wettkampfdisziplinen reichen von einem bis zu vierzig Kilometern, ziehen sich bis zu 24 Stunden hin und finden in Seen, Flüssen, Meeren oder gar Ozeanen statt. Der Sportler ist durch die erschwerte Nahrungsaufnahme und den Wärme- beziehungsweise Energieverlust besonders gefordert. Nur die härtesten der Harten können da mithalten.

Einer von diesen Ausnahmeathleten ist Thomas Lurz. Der 32jährige Blondschopf hat sich in den letzten Jahren zum „Goldesel“ der deutschen Schwimmer entwickelt. Zehn Weltmeistertitel sprechen für sich. „Die letzten Jahre meiner sportlichen Laufbahn waren für mich sehr erfolgreiche Jahre“, meint Lurz bescheiden. Allein im vergangenen Jahr räumte er fast alle Goldmedaillen ab, die seine Sportart zu bieten hat: Weltmeister über fünf Kilometer in Shanghai, Europameister über zehn Kilometer in Eilat und Gesamtweltcupsieger mit jeweils ersten Plätzen über die Zehn-Kilometer-Distanz in Santos, Shantou und Hongkong. Zu Recht wurde der 1,83 Meter große und 74 Kilo schwere Franke vom internationalen Schwimmsportdachverband Fina zum „Weltschwimmer des Jahres 2011“ gekürt.

Der deutschen Öffentlichkeit blieben die Erfolge des in Gerbrunn bei Würzburg geborenen Langstreckenschwimmers weitgehend verborgen. Das erstaunt, wenn man bedenkt, daß der passionierte Hobbyangler seit mehr als einem Jahrzehnt Medaillen scheffelt. Bereits als 18jähriger stieg er als Deutscher Meister im Freistil über 1.500 Meter aufs Siegertreppchen. Spätestens bei seinem ersten Weltmeistertitel 2004 in Dubai hatte Lurz entdeckt, daß die Fünf- und Zehn-Kilometer-Distanz seine Paradedisziplinen sind.

Vor dem Erfolg steht der Schweiß: Keiner weiß das besser als der Fan der US-Band „Ramones“, die mit ihrer Debut-Single „Blitzkrieg Bop“ (1976) für Furore sorgte. Neun bis zwölfmal pro Woche zieht Thomas Lurz, der von seinem Bruder Stefan trainiert wird, deshalb im Schwimmbecken seine Kreise. Als Sportsoldat genießt Lurz nicht nur sportliche Förderung, sondern eine finanzielle Absicherung durch die Bundeswehr. In seiner wenig populären Sportart, die hauptsächlich von kleineren lokalen und regionalen Sponsoren aus dem Würzburger Raum lebt, immer noch unverzichtbar.

Das ehrgeizigste Ziel liegt allerdings noch vor dem Sozialpädagogen, der an der Fachhochschule Würzburg studierte: die olympische Goldmedaille. „Diesen großen Traum möchte ich mir in London 2012 erfüllen. Bis dahin werde ich weiter hart trainieren, die Zähne zusammenbeißen und mein Bestes geben“, verspricht Lurz.

In Peking hatte es 2008 leider nur zu einer Bronzemedaille gereicht. Es wäre die Krönung einer der erfolgreichsten deutschen Sportlerkarrieren der letzten Dekaden. Und dann dürfte der breitschultrige Freischwimmer zumindest einen Tag lang einen Teil der bundesdeutschen Aufmerksamkeit auf sich lenken können. Ob es Thomas Lurz als Pizza- und Pasta-Liebhaber nach dem Karriereende dann wirklich – wie angedeutet – in die Systemgastronomie zieht, steht noch in den Sternen.

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