© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Haltungsnote
Auf dem falschen Dampfer
Christian Schwiesselmann

Die Piraten waren schon im Mittelalter eine gesetzlose Vereinigung von Freibeutern und Vitalienbrüdern zum Zwecke der Umverteilung, die in der Regel wie Klaus Störtebeker am Ende den Kopf verloren. Im niederdeutschen „Likedeeler“ – was soviel heißt wie Gleichteiler – klingt das noch an.

Dennoch gibt es Leute im Piratenboot, die noch nicht begriffen haben, auf welchem Pott sie schippern. Einer dieser irrfahrenden Argonauten scheint Wolfgang Huying zu sein. Die Piratenpartei nominierte den Unternehmensberater kürzlich zur Landtagswahl im NRW-Kreis Kleve. „Wir werden vom Staat überreglementiert. Wir wünschen mehr Eigenverantwortung. Und da gibt es gesellschaftlichen Nachholebedarf“, lautet Huyings überraschend liberales Credo. Er habe eigentlich liberal-konservative Wurzeln und als junger Mann überlegt, der Jungen Union beizutreten, bekennt der 50jährige in Der Westen.

Nun sei er Piraten-Mitglied geworden, weil sie das aussprechen, was er sich immer schon vorgestellt habe: Basisdemokratie. „Bei einer Parteiversammmlung kann jederzeit ein Antrag eingebracht werden. Jeder hat ein Rederecht, egal ob er der Partei angehört oder nicht“, begeistert sich Huying, der es als Autohändler zu einem stattlichen Anwesen im Haldemer Wald gebracht hat.

Abgesehen davon, daß andere Parteien diese Form der „Basisdemokratie“ auch praktizieren, sollte Huying einen Blick ins eigene Grundsatzprogramm werfen. Einen konservativen Vater von vier Kindern dürfte die darin geforderte Drogenfreigabe mitsamt Verherrlichung des Rausches als „schöpferische Möglichkeit“ Bauchschmerzen bereiten. Zudem läuft der freiheitliche Unternehmer Gefahr, die egalitäre Nutzer- und Netzfreiheit, die mit Verstößen gegen Eigentumsrechte verbunden ist, mit wirklich freiheitlichem Denken zu verwechseln.

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