© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Der Flaneur
Stark beschäftigt
Ellen Kositza

Eine Handvoll Jungs und drei Mädchen toben auf dem Spielplatz, im Sandkasten spielen Mütter mit ihren Kleinkindern. Der Spaß der Großen wirkt nicht wirklich spieltrunken, laufend gibt es Zäsuren, man wechselt von „Tierhasche“ – „ist doch eh Mädchenzeug“, blökt der dicke Kerl, der dauernd abgeschlagen wird – zum Fußball und dann zum eher regellosen Steinchenwerfen. Ins Gesicht „giltet“ nicht.

Zusätzliche Unterbrechungen kommen vom anderen Ende der langen Leine, an der die eine oder andere anscheinend hängt. Das mobile Apparätchen läutet, und es läutet meist so lange, bis auch die anderen die Melodie des Klingeltons bemerkt haben. Dann geht der Blick des Kindes nach innen, es wendet sich ab in der geschäftigen Art, die es von den Erwachsenen abgeschaut hat und kommuniziert, meist unter Augenrollen. Sicher war die Mutti dran.

Ein paarmal haben die Mädchen kurze, wichtige Gespräche zu führen, dann sondert sich ausgerechnet der kleinste Junge mit seinem Gerät ab. Er hockt sich ans Rutschenende: „Ja. Ja. Geht klar. Du bringst das Ding also mit? – Okay. Nee. Ja, bis später.“ Dann tippt er eine Botschaft ein. Bei den Steinewerfern geht es gerade in die heiße Phase. Der Kleine seufzt, er muß schon wieder ran. „Hallo? Ach, du. – Nee, das machen wir anders, ich erklär’s dir.“

Der Kerl mag neun oder zehn sein, er ist gefragt. Noch eine Mitteilung wird verschickt, anschließend ein weiterer Anruf abgesetzt, es geht offenkundig um eine Beratung bezüglich Star Wars. Die Kiesschleuderei muß leider ohne ihn laufen, und die Mütter tuscheln, daß die armen Kleinen heute einfach mit allem allzu früh dran seien.

Bald ist Abendbrotzeit, der Platz leert sich. Die beiden verbliebenen Mütter packen ihre Sachen und Kinder. „Ach guck mal, der hat sein Handy glatt liegenlassen!“ Im Rutschenabgang liegt es: eine dunkle Plastikschachtel mit der Aufschrift „Formel I-Quartett“.

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