© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Abgang des Rebellen
Italien: Lega-Nord-Gründer Umberto Bossi stolpert über Korruptionsskandale in Familie und Partei
Paola Bernardi

Über zwanzig Jahre mischte Umberto Bossi die politische Szene Italiens auf. Er war ein Urgestein der italienischen Politik. Seine von ihm gegründete rechte Autonomiebewegung Lega Nord protestierte gegen den Zentralstaat, gegen die „Überfremdung“ aus dem Süden und vor allem gegen die „korrupte“ Politik Roms. Mit seinem rebellischen Verhalten trug Bossi Anfang der 1990er Jahre entscheidend zur Erneuerung des politischen Parketts Italiens bei.

Bossi, der große Provokateur, der mit dem populistischen Slogan „Roma ladrona“ (diebisches Rom) angetreten war, mußte nun selber unter dem verheerenden Vorwurf der Korruption und Veruntreuung von Parteigeldern zurücktreten. Schon kleben über Nacht in der Hauptstadt Rom Plakate mit der Aufschrift „Lega ladrona“ (diebische Lega).

Gleich drei Staatsanwaltschaften in Mailand, Neapel, Reggio Calabria haben ihre Ermittlungen aufgenommen. Die Untersuchungsrichter haben durch Abhörprotokolle angeblich Beweise dafür, daß die Familie Bossi, aber auch andere Parteifunktionäre, für persönliche Zwecke wie Reisen, Autos, falsche Diplome und Hausrenovierungen, illegal Gelder abgezweigt haben. Vor allem Bossis Söhne Renzo und Ricardo schafften sich auf Kosten der Parteikasse teure Autos an und lebten auch sonst auf großem Fuß. Folgerichtig legte nun am Montag Renzo, der ältere Sohn, den Bossi als seinen Nachfolger vorgesehen hatte, angesichts der Veruntreuungsvorwürfe sein Mandat als Regionalratsabgeordneter der Lombardei nieder. 

Der gesundheitlich schwer angeschlagene Bossi – er erlitt 2004 einen Schlaganfall – behauptet indessen, daß die Geldzuwendungen ohne sein Wissen erfolgt seien. Parallel dazu räumte der 70jährige jedoch ein, daß es falsch gewesen sei, „seine Familie mit in die Partei eingebunden zu haben“.

Im Visier der Ermittler steht vor allem der in der letzten Woche zurückgetretene Schatzmeister der Lega, Francesco Belsito, der seit 2004 die Parteigelder verwaltet hat.

Der 41jährige galt seit langem als schillernde Persönlichkeit der Lega, der es letztlich mittels gefälschter Diplome gelang, vom Besitzer eines Reinigungsunternehmens  zum Unterstaatssekretär in der letzten Regierung von Berlusconi aufzusteigen.

Parallel dazu wird Belsito vorgeworfen, Verbindungen zur kalabresischen `Ndrangheta zu haben und an der Geldwäsche der Mafia mitbeteiligt zu sein.

Dem nicht genug. Auch die 49jährige Rosa Angela Mauro, Lega-Mitglied der ersten Stunde, Senatorin und Vize-Präsidentin des Senats, steht unter dem Verdacht, sich an den Parteigeldern persönlich bereichert zu haben. Der Senatorin wird zur Last gelegt, ihrem Bodyguard und Geliebten 120.000 Euro für Diplome einer Schweizer Privatschule bezahlt zu haben.

Angesichts der Vorwürfe und Rücktritte steigt der Unmut an der Parteibasis der Lega. Die Austritte enttäuschter  Parteimitglieder mehren sich. Zahlreiche kleinere Parteibüros in der Provinz sind bereits geschlossen. Und das nicht erst seit vergangenem Wochenende.

 Bossis Ansehen in seiner Partei hatte schon seit langem gelitten. Grund hierfür war nicht allein das lange Festhalten Bossis an der Allianz mit dem skandalträchtigen Berlusconi. Kritik innerhalb der Partei gab es vor allem daran, daß Bossi das Hauptanliegen der Lega – Stichwort: Finanzföderalismus  – nicht verwirklicht hat.

Dabei standen vor Wochen die Zeichen der Lega noch auf Angriff. Als einzige Oppositionspartei versuchte sich Bossi im Kampf gegen die neu eingesetzte Expertenregierung unter Ministerpräsident Mario Monti, neu zu positionieren. Die ersten Früchte sollten bei den kommenden Kommunalwahlen am 6. und 7. Mai eingefahren werden. Dies scheint nun erledigt.

Derweil versucht ein Gremium um den populären früheren Innenminister Roberto Maroni, unter der Parole  „Pulizia, Puliza, Pulizia“ (Säuberung, Säuberung, Säuberung), zu retten, was zu retten ist.

Foto: Umberto Bossi: Abschiedsgruß an die Parteianhänger am Po

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