© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Prekäre Suche nach dem Konsens
Amerika-Gipfel: Angesichts von Drogenmafia, Chávez-Sozialismus und US-Hegemonie ist „Heroisches“ gefragt
Michael Johnschwager

Bei den Vorbereitungen auf den sechsten Amerika-Gipfel Mitte April in Cartagena, genannt „die Heroische“, sind derartige Eigenschaften bei Kolumbiens Chefdiplomatin María Ángela Holguín äußerst gefragt. Mit ihr zählt die Regierung in Santafé de Bogotá auf das „Händchen“ einer Außenministerin, um den diplomatischen Herausforderungen vor Beginn des Gipfels zu begegnen.

Bereits im Vorfeld galt es, für nahezu unüberbrückbar erscheinende gegensätzliche Positionen einen Konsens zu finden. So sah sich der ecuadorianische Präsident Rafael Correa gehalten, seinen Amtskollegen ein Fernbleiben nahezulegen für den Fall, daß Kuba nicht auf die Einladungsliste kommt.

Ecuador gehört dem auf Betreiben von Venezuelas starkem Mann Hugo Chávez 2004 initiierten Staatenbund Alba an, der eine konträre Haltung zur US-Politik einnimmt. Dennoch treten die acht Alba-Staaten in Cartagena nicht als geschlossener Block auf. Das ebenfalls diesem alternativen Staatenbund angehörige Bolivien scherte aus der vielbeschworenen bolivarianischen Solidarität aus. Sein indigener Präsident Evo Morales, auf seiner Kolumbien-Visite Mitte März 2012 von Präsident Juán Manuel Santos empfangen, wird in Cartagena Präsenz zeigen.

Für Barack Obama eröffnet der Amerika-Gipfel einen wahltaktisch opportunen Nebeneffekt: mit einem überzeugenden Auftritt Stimmen aus dem zahlenmäßig bedeutenden Block lateinamerikanischer Wähler in seiner Heimat zu gewinnen. Die Verbundenheit der USA mit dem Subkontinent steht 2012 unter dem Motto: „Die beiden Amerikas verbinden: Partner für den Wohlstand.“ Allerdings dürfte es ihn einige Überwindung kosten, den Verhandlungstisch mit dem ewig widerborstigen kubanischen Gegenspieler zu teilen. Für deren Delegation hingegen bleibt es wenig schmeichelhaft, von der 1948 in Bogotá ins Leben gerufenen Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) 1962 ausgeschlossen worden zu sein, während alle 34 Länder der Hemisphäre Mitglied der in Washington ansässigen Organisation sind.

Ein Blick auf die Agenda spiegelt die Lebenswelt der Teilnehmerstaaten wider. Deren Repräsentanten sind gefordert, auf dem Gipfel konstruktive Vorschläge zu erarbeiten, die anschließend konsequent umgesetzt werden. Die Bevölkerung erwartet Abhilfe bei dringend erforderlich gewordenen Reparaturen:

Mit dem Einrichten einer Datenbank und einer effizienten Vernetzung  werden die Anstrengungen, insbesondere zentralamerikanischer Länder, bei der Bekämpfung des internationalen Drogenhandels und der organisierten Kriminalität unterstützt. In der Vergangenheit hat die Interamerikanische Entwicklungsbank bereits finanzielle Mittel bereitgestellt.

So leidet vor allem Mexiko unsäglich unter den mafiösen Strukturen. Hier lassen sich anhand der praktischen Erfahrung der Gastgeber gangbare Lösungsansätze formulieren. Deren Augenmerk ist dagegen parallel auf eine Gesetzgebung zum Schutz des Lebensraumes der Landbevölkerung gerichtet, die von Guerilla und paramilitärischen Verbänden massiv bedroht ist. Den betroffenen Menschen bleibt oft nur die Aufgabe ihrer angestammten Region und Schutz zu suchen in den urbanen Zentren.

Parallel dazu erhofft man sich einen Schub in der Armutsbekämpfung ebenso wie den einfachen Zugang und die Anwendung von Technologien, um Naturkatastrophen künftig besser in den Griff zu bekommen.

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