© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Zeitschriftenkritik: Sezession
Lehrstücke
Nils Wegner

Während ein Hölderlin-Zitat den Umschlag ziert und sich der Bildteil mit dem malerischen Realismus der russischen „Peredwischniki“ (dt. Wanderer) im späten 19. Jahrhundert befaßt, beleuchten ein Dutzend Autoren in der aktuellen Ausgabe der vom Institut für Staatspolitik herausgegebenen Zweimonatszeitschrift Sezession Aspekte des politischen Bewußtseins. Mit einem Aufsatz über das für 2013 projektierte Richard-Wagner-Denkmal in Leipzig eröffnet Jakob Altenburg den Reigen und verweist auf die öffentliche Zurschaustellung der „ehernen Fesseln des bundesdeutschen Denkens und Fühlens“.

Götz Kubitschek schildert vor dem Hintergrund einer Reise nach Siebenbürgen die Begegnung mit dem Schriftsteller und Pastor Eginald Schlattner, der als letzter verbliebener Rumäniendeutscher im Dörfchen Rothberg einen allwöchentlichen Gottesdienst vor leeren Kirchenbänken hält. Eine Romantrilogie Schlattners schildert die Verwerfungen des siebenbürgischen Schicksals zwischen Vorkriegsjahren und Sowjetdiktatur auf eindrückliche Weise. Kubitschek überschreibt seinen Bericht als „Lehrstück“ – offen bleibt am Ende, ob dies die Biographie Schlattners als Opfer der „Knochenmühle des 20. Jahrhunderts“ meint oder seinen bekümmernden, doch harmonischen Lebensabend als deutsches Relikt auf weiter Flur. Letzteren Interpretationsansatz legen die fünf Notizen von Martin Lichtmesz zum deutschen „Autogenozid“ nahe.

In seinem „Umriß einer Konstanten“ beschäftigt sich Torben Ulenwind mit dem Phänomen der Denunziation, die – so sein Fazit – stets an politische Gebilde (auch das bundesrepublikanische) gekoppelt sei. So könne sich der heutige Denunziant immerhin nie sicher sein, ob sich nicht morgen schon nach einem Systemwechsel auch für ihn ein Richter finden könne. Karlheinz Weißmann und Heino Bosselmann widmen sich in je einer Abhandlung dem staatstheoretischen Konstrukt des „Gesellschaftsvertrags“. Für Weißmann ist der Begriff längst historisch delegitimiert, während Bosselmann ihn politphilosophisch als Evangelium einer scheinbaren Bekenntnisgemeinschaft betrachtet, die Dissidenz mit Verfemung straft; dieser Objektivierung könne der Selbsteigene jedoch durch bewußte Abgrenzung zuvorkommen.

Der Ethnologieprofessor Thomas Bargatzky sowie die studierenden Bundeswehroffiziere Felix Springer und Martin Böcker befassen sich mit Aspekten deutscher Konfliktbeteiligung: „Warum wir in Afghanistan nicht gewinnen können“ wird ebenso herausgestellt wie der mangelnde „Manöverernst“ der deutschen Streitkräfte, während unter dem Titel „Geopolitik und Neue Rechte“ zugunsten nationaler Interessen für die Rückbesinnung auf eine umfassende Perspektive zur Entscheidungsfindung plädiert wird.

Eine erfrischende Abfertigung der FAZ und ihres Linksdralls, Beiträge von Günter Scholdt und Thor von Waldstein sowie der obligatorische Rezensionsteil schließen diese Ausgabe ab.

Kontakt: Sezession, Rittergut Schnellroda, 06268 Steigra, Tel./Fax: 03 46 32 / 9 09 42. Das Einzelheft kostet 10 Euro, ein Jahresabo für sechs Hefte 45 Euro.

 www.sezession.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen