© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Er will die Wurzeln neu beleben
Streiter wider die Diktatur des Relativismus: An seinem 85. Geburtstag kann Papst Benedikt XVI. auf ein siebenjähriges Pontifikat zurückblicken
Paola Bernardi

Am 16. April begeht Papst Benedikt XVI. seinen 85. Geburtstag. Er ist damit der älteste Papst auf dem Thron Petri seit hundert Jahren. Der Papst selber hatte sich gewünscht, daß der kommende Montag als ganz normaler Arbeitstag im Vatikan verlaufen sollte, doch das sahen seine bayerischen Landsleute ganz anders: So versammeln sich die bayerischen Bischöfe an diesem Tag im Vatikan, um „ihren“ Papst zu feiern. Bayerische Laute werden auch durch die langen marmornen Gänge des Vatikan hallen, wenn Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) mit einer großen Delegation nach Rom zur Gratulationscour reist. Viele Persönlichkeiten aus Bayern – von Franz Beckenbauer über den Unternehmer Claus Hipp bis zum Kardinal Reinhard Marx aus München und dem früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber – haben ihre Glückwünsche bereits vorab in dem Sammelband „Benedikt XVI. – Prominente über den Papst“ geliefert (siehe Seite 20 dieser Ausgabe).

Im prallen Hochsommer, am 3. August, wird sein Heimatbistum, die Erzdiözese München und Freising, den Papst in seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo noch mit einem traditionellen Bayerischen Abend erfreuen: Jodeln, Schuhplatteln und Gstanzln werden durch den sonst so stillen Innenhof hallen. Mit einem Sonderzug aus bayerischen Landen reisen mehr als 800 Pilger, darunter 450 Gebirgsschützen und 150 Trachtler an. Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, wird mit den Pilgern am 4. August in Rom Eucharistie feiern.

Sieben Jahre ist es her, als am 19. April 2005 aus Kardinal Joseph Ratzinger, dem strengen Präfekten der Glaubenskongregation, der in diesem  Wächteramt alle Pfeile und Anfeindungen gegen die katholische Kirche auf sich zog, der 266. Nachfolger des Apostels Petrus in das blendende Licht der Scheinwerfer hinauskatapultiert wurde. Gedrängt um dieses Amt hat sich Ratzinger freilich nicht. Vielmehr erfaßte ihn heilloser Schrecken, als die Wahl auf ihn fiel. Er wußte um das Kreuz, das er als „einfacher und demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn“ auf sich nahm.

Welche Last, welche Bürde dieses Amt in sich birgt, kann man heute auch äußerlich an der Gestalt des Pontifex ablesen. Seine zartgliedrige Gestalt scheint in den Jahren seines Pontifikats noch schmaler geworden zu sein, er scheint in den schweren bestickten Gewändern fast zu verschwinden. Sein Gang ist mühsamer geworden, manchmal muß er einen Stock benutzen. Man sieht ihm die körperliche Anstrengung seines Amtes an.

Sein Vorgänger, der polnische Papst Johannes Paul II., der universal den Kampf gegen den Kommunismus führte und rund um den Erdball reiste, hat ihm ein schweres Erbe hinterlassen. Der jahrzehntelang vertuschte „Mißbrauchsskandal“ – vor allem in den USA, Irland, Belgien und auch Deutschland – hat die Kirche bis in ihre Grundfesten erschüttert. Für Benedikt XVI., der sich bereits früher für null Toleranz eingesetzt hatte, ist und bleibt er ein „unerhörter Schock“. „Die größte Verfolgung der Kirche kommt nicht von den äußeren Feinden, sondern erwächst aus der Sünde der Kirche selbst“, so hat er in einem Gespräch mit dem Journalisten Peter Seewald geantwortet.

Benedikt XVI. weiß, daß die westlichen Gesellschaften an einem Scheideweg angelangt sind. Entweder gleiten sie in einen Säkularismus ab, der den großen Problemen unserer Zeit nichts entgegenzusetzen hat, oder sie entdecken die Gottesfrage neu. Während die Zukunftsperspektiven für die Kirche in Afrika, Asien und Südamerika vielversprechend sind, erscheint der Alte Kontinent düster. Europa ist geistig und religiös müde. Benedikt XVI. sieht seine Aufgabe darin, die christlichen Wurzeln dieses ermatteten Europas neu zu beleben. Er verfolgt eine radikale Re-Evangelisierung, er schreibt und redet gegen Wert-Relativismus. Mit Sorge betrachtet Benedikt XVI. einen sich ausbreitenden Laizismus, der unter dem Vorwand der Toleranz religiöse Symbole wie das Kruzifix aus dem öffentlichen Raum verdrängt und die christlichen Wurzeln Europas immer mehr zum Verschwinden bringt.

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