© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/12 20. April 2012

Die bärtigen Männer und der Koran
Islamismus: Die Verteilung von kostenlosen Exemplaren des heiligen Buches des Islam in deutschen Fußgängerzonen stößt auf breite Kritik
Hinrich Rohbohm

Der Mann hinter dem Tisch unter dem aufgebauten Pavillon fällt sofort auf, macht einen exotischen Eindruck. Und genau das will er vermutlich auch. Dunkler kurzer Bart, beigefarbenes Sakko, knallig-violettes Oberhemd. Seine Augen sind von einer viel zu groß geratenen Sonnenbrille verdeckt. In der Hand hält er einen Stapel von Koran-Büchern. Wenn jemand kommt und nach einem der Bücher fragt, geht er auf die Person zu, nimmt mit der anderen Hand einen Koran und streckt ihn mit weit ausgebreitetem Arm dem Interessenten mit einem Grinsen entgegen, das einem Teppichhändler in einem orientalischen Basar gleicht, der gerade ein äußerst gutes Geschäft abgeschossen hat.

Doch der Mann macht mit den Büchern kein Geschäft. Er verteilt die heilige Schrift des Islam kostenlos. „Der Edle Qur’An – Die ungefähre Bedeutung in der deutschen Sprache“ steht auf dem Titel. 480 Seiten für 0 Euro. Für jedermann. Immer wieder kommen Leute zu dem Infostand auf dem Potsdamer Platz in Berlin, greifen zu. Zahlreiche Journalisten sind da, machen Fotos von den bärtigen Männern unter dem Pavillon. Einer von ihnen will ein Interview geben, doch sein mit einer schwarzen Kopfbedeckung bekleideter Nebenmann zieht ihn zurück. „Keine Gespräche mit der Presse“, lautet seine Anweisung.

Bei den Bärtigen handelt es sich um Salafisten. Islamische Extremisten, die das Grundgesetz durch die Scharia, das islamische  Recht, ersetzt sehen wollen. Sie gelten als gewaltbereit. Nicht alle, räumt der Verfassungsschutz ein. Jedoch gebe es unter islamischen Terroristen nur wenige, die nicht in Kontakt mit Salafisten stünden. Der Salafismus gilt als Sammelbecken für gewaltbereite Islamisten. Die von ihnen deutschlandweit organisierte Koranverteilung ist eigentlich harmlos. Bei den deutschen Sicherheitsbehörden schrillen dennoch die Alarmglocken. Denn durch die Aktionen solle vor allem radikaler Nachwuchs geworben werden, sind Verfassungsschützer überzeugt. Seit Ende 2010 wird die in Deutschland rund 2.500 Anhänger zählende Gruppierung mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet. Sie sei gut vernetzt und nutze jede Gelegenheit, um für den „Heiligen Krieg“ aufzurufen. Und der richte sich vor allem gegen Kuffar, „Ungläubige“, gegen die Salafisten Gewalt als legitim erachten. „Christen, Juden kommen in die Hölle, wenn sie den islamischen Glauben nicht annehmen“, sagt etwa Ibrahim Abou Nagie. Der 47 Jahre alte Palästinenser kam mit 18 Jahren nach Deutschland. Er ist Koordinator der Koran-Kampagne. Sein Ziel ist es vor allem, Kinder und Jugendliche zum salafistischen Islam zu bekehren.

Für die sogenannte „Lies“-Kampagne seiner Organisation „Die wahre Religion“ wurden bereits 300.000 Koran-Bücher gedruckt und ausgeliefert. Hergestellt wurden sie in der Ulmer Druckerei Ebner & Spiegel. Das Unternehmen hat inzwischen nach öffentlichem Druck die Auslieferung weiterer Korane an die Salafisten gestoppt. Geplant sei, insgesamt 25 Millionen Bücher in Deutschland, Österreich und der Schweiz kostenlos zu verteilen. Allein am vergangenen Samstag waren die Salafisten mit 40 Infoständen in deutschen Städten präsent. Und nachdem in einem Haßvideo im Internet kritisch über den Salafismus berichtende Journalisten bedroht wurden schaltet sich nun auch die Politik ein zu Wort. Hatte sich die CDU in Nordrhein-Westfalen noch vor wenigen Wochen bei einer Anti-Salafisten-Demonstration von Pro NRW in einem Bunt-statt-braun-Solidaritätsbündnis für Salafisten eingereit, so fordert sie nun, der radikal-salafistischen Bewegung Einhalt zu gebieten und die Koranverteilung einzuschränken.

Skeptisch nimmt ein 54 Jahre alter Berliner die Äußerungen der Parteien auf. „Die Islamisierung unseres Landes schreitet immer weiter voran und unsere Politiker lassen das zu. Wollen wir denn wirklich unter der Scharia leben?“ fragt er. Er ist mit zwei Transparenten am Potsdamer Platz erschienen. „Die Menschenverachtung des Islam erklärt sich, wenn man den Koran gelesen hat!“ steht auf dem einen geschrieben. Das andere Transparent hat er auf den Boden gelegt. „Töten kommt im Koran 180mal vor, 27mal in Befehlsform!“ ist darauf zu lesen.

Er ist einer von wenigen, die öffentlich protestieren. Lediglich acht Leute der islamkritischen Partei „Die Freiheit“ sind auch noch erschienen. „We don’t need your Lies“ steht in dünner Schrift auf dem Plakat, das eines ihrer Mitglieder, Lena D., hochhält. Etwas mulmig ist der 24 Jahre alten Studentin angesichts der Tatsache, daß sie von den Salafisten genau beobachtet wird. „Wenn ich später nach Hause gehe, werde ich wohl einige Umwege einbauen müssen“, sagt sie.

Foto: Salafisten verteilen auf dem Potsdamer Platz in Berlin den Koran: Haßvideo im Internet

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