© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/12 20. April 2012

Bundesagentur verhängt mehr Strafen gegen Arbeitslose
Gnadenakt Hartz IV
Bernd-Thomas Ramb

Das Arbeitslosengeld II, wie die volkstümlich Hartz-IV heißenden Bezüge eigentlich korrekt genannt werden, wird Erwerbslosen gewährt, die von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung nicht oder nicht mehr erfaßt werden. Wer nicht innerhalb der letzten zwei Jahre mindestens zwölf Monate in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stand, erhält kein Arbeitslosengeld (I), sondern eine Sozialhilfezahlung, die beschönigend Arbeitslosengeld II (Alg II) genannt wird.

Das ändert vor allem an einer Tatsache nichts: Die Bezieher erhalten Geld, ohne etwas dafür geleistet zu haben. Dazu zählen eben auch hinreichende vorangegangene Zahlungen in eine Versicherung gegen die Gefahr der Arbeitslosigkeit. Daß im Kreis der Betroffenen die Bezeichnung Hartz IV bevorzugt wird, ist durchaus verständlich. Lenkt sie doch von diesem Sachverhalt ab. Die Alg-II-Zahlungen werden zunehmend als eine Art staatlich garantiertes Mindesteinkommen verstanden, zu dessen Finanzierung der steuerzahlende Teil der Gesellschaft verpflichtet ist.

Deshalb werden auch die schmalen Anforderungen an die Bezieher der Alg-II-Einkommen nicht mehr ernst genommen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA), die für die Vergabe und Auszahlung verantwortlich ist, berichtet über einen starken Anstieg der Sanktionen, die im letzten Jahr verhängt werden mußten, weil die Leistungsempfänger ihren Verpflichtungen nicht nachkamen: Beratungstermine mit dem Jobcenter oder vereinbarte Pläne zur Eingliederung in das Arbeitsleben wurden nicht eingehalten, die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses verweigert oder nach kurzer Zeit abgebrochen und mehr.

Die BA beschwichtigt, dies sei kein Betrug, sondern ein „Versäumnis“. Auch das bestärkt die allgemeine Auffassung, das Arbeitslosengeld II praktisch als Anrecht auf ein Mindest­einkommen anzusehen. Geradezu resignierend mündet dies in die Überlegung, der Einfachheit halber jedem Bürger ein Mindesteinkommen auszuzahlen, um die Verwaltungskosten zu sparen. Die ökonomisch entscheidende Tatsache gerät dabei in Vergessenheit: Die Geldzahlungen werden geleistet, ohne daß der Empfänger dazu eine Gegenleistung erbringt.

In rechtlicher wie in moralischer Hinsicht ist die Zahlung des Hartz-IV-Geldes ein Gnadenakt. Diesen Hilfe Menschen zu gewähren, die schwerbehindert und absolut arbeitsunfähig sind, das gebietet die gesellschaftliche Moral. Wer jedoch arbeiten kann, sei es auch noch so „unter Niveau“, hat keinen Rechtsanspruch auf Gnade. Dies zu erkennen und zu verstehen, bedarf nicht zuletzt der Erziehung. Wenn gerade junge Menschen besonders häufig unter den Alg-II-Empfängern mit „Versäumnissen“ vorzufinden sind, dann läuft etwas gewaltig schief mit der staatsbürgerlichen Erziehung – mit gefährlicher Langzeitwirkung.

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