© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/12 27. April 2012

Los von Rom – auf nach Bern
Italien: Per Internetpetition votieren Zehntausende Italiener für eine Angliederung der Lombardei an die Schweiz
Paola Bernardi

Als der Schweizer Verteidigungsminister Ueli Maurer Mitte März scherzhaft behauptete, daß die Schweiz „kein Problem damit hätte, die Lombardei einzugliedern“, da sie „ohnehin Handelspartner bei 90 Prozent aller Geschäfte“ ist, konnte er nicht ahnen, welchen Wirbel sein Bonmot auslösen würde. Vielleicht war es ein Witzbold, oder nur die Provokation eines frustrierten Italieners, der gegen die hohen Steuern, die die neue „technische“ Regierung dem Land auferlegt, auf seine persönliche Weise protestiert. Oder es sind enttäuschte Lega-Nord-Anhänger aus dem nahen Varese, nachdem immer neue Details der Korruption innerhalb der Bossi-Partei (JF 16/12) bekannt werden. Niemand weiß, wer den Aufruf ins Netz gestellt hat.

Die provokante Petition fordert, die Angliederung der norditalienischen Lombardei an die Schweiz zu unterschreiben. Ziel ist es, eine halbe Million Unterschriften zu erreichen. Es scheint, als wenn sich im krisengeschüttelten Italien alle Schleusen öffnen. Innerhalb von wenigen Wochen haben knapp 30.000 Italiener der Petition zusgestimmt.

Als 27. Kanton der Schweiz würde die Lombardei mit zehn Millionen Einwohnern und ihrer Hauptstadt Mailand mehr Unabhängigkeit genießen, weniger Steuern zahlen und Teil eines effizienten und neutralen Staates werden, der „frei vom negativen Einfluß der EU und der USA“ ist, heißt es in der Petition. Außerdem würde die Lombardei, immerhin der Motor der italienischen Wirtschaft, mit dem Schweizer Franken als Währung weniger von der Inflation belastet werden, und die Lombarden müßten weniger Autobahngebühren zahlen. Zugleich könnten die Lombarden weiterhin Italienisch sprechen und somit ihre Traditionen bewahren.

Die Schweiz ist nicht nur besonders in diesen schweren wirtschaftlichen Zeiten gefragt, da immer mehr italienische Bürger aus dem krisengeschüttelten Italien ihr Erspartes über die Grenze bringen, sondern das Land ist längst zum Magnet für italienische Unternehmer avanciert: Mit niedrigen Steuern, motivierten Facharbeitern, effizienten Infrastrukturen und politischer wie wirtschaftlicher Stabilität erscheint die Schweiz seit langem begehrenswert. Nicht nur Klein- und Mittelbetriebe haben sich in den angrenzenden Kantonen Tessin und Wallis niedergelassen, sondern auch große Luxus-Marken, die für „Made in Italy“ stehen, haben ihre Produktionsstätten teils in die Schweiz verlegt. Nicht einmal der starke Franken kann abschrecken.

Doch während es manch Lombarden in die nahe Schweiz zieht, versuchen sich die Tessiner abzugrenzen. Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen den italienischen Grenzgängern und den Schweizern. Und der Erfolg der Lega im Tessin liegt gerade daran, daß sie immer wieder zur Ablehnung der Einwanderung der Italiener aufruft.

www.petizionionline.it

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