© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/12 27. April 2012

Rückkehr ins Haus des Vaters
Katholische Kirche: Die Einigung zwischen dem Vatikan und der Priesterbruderschaft Pius X. beendet ein innerkirchliches Schisma
Felix Dirsch

Es ist vollbracht! So oder so ähnlich wird Papst Benedikt XVI. gedacht haben, als der Generalobere der konzilskritischen, antimodernistischen Priesterbruderschaft Pius X., Bischof Bernard Fellay, das Versöhnungsdokument zwischen seiner Gemeinschaft und dem Vatikan unterzeichnete und somit einen Konflikt wenigstens auf der kirchenrechtlichen Ebene beendete, der vor knapp 25 Jahren seinen Höhepunkt fand. 1988 konsekrierte der Gründer der Kommunität, der suspendierte französische Erzbischof Marcel Lefebvre, drei Priester unerlaubt zu Bischöfen. Er und seine engere Umgebung zogen sich als Konsequenz die Strafe der Exkommunikation zu. Seither schwelte die Wunde. Ausgerechnet die, die sich am stärksten die Neuevangelisierung Europas aufs Panier geschrieben haben, standen seitdem formell außerhalb der Kirche.

Joseph Ratzinger war als Kurienkardinal an den Gesprächen mit den Traditionalisten im Vorfeld der Weihen von Ecône maßgeblich beteiligt. Vielleicht empfand er ein Stück Mitschuld am Scheitern. Nach seiner Wahl zum Pontifex bemühte er sich erkennbar darum, die Abtrünnigen in die Kirche zu reintegrieren. Seine Vorleistungen waren erheblich. Das päpstliche Schreiben „Summorum Pontificum“ ermöglicht jedem Priester, den klassischen Meßritus zu feiern. 2009 hob er die Exkommunikationsdekrete gegen die Bischöfe der Bruderschaft auf. Trotz des künstlich herbeigeführten medialen Eklats um Bischof Richard Williamson – das inkriminierte Holocaust-Interview des zu Verschwörungstheorien neigenden britischen Piusbruders in Zaitzkofen (Oberpfalz) wurde erst Monate, nachdem es stattgefunden hatte, im „richtigen“ Moment von zwei kirchenkritischen Journalistinnen an die Presse lanciert – begannen die Gespräche zwischen Vertretern des Vatikans und der Piusbruderschaft planmäßig. Der Austausch verlief in guter Atmosphäre.

Im September 2011 ging der Poker in die letzte Runde. Der Präfekt der Glaubenskongregation, William Jo-
seph Levada, überreichte Fellay und seinen Assistenten die „doktrinelle Präambel“. Dieses Lehrschreiben unterlag zwar bisher offiziell der Geheimhaltung. Einige Inhalte machten jedoch in der Öffentlichkeit schnell die Runde. Unklar bleibt indessen, ob der Text tatsächlich zwischen einem Bereich unterscheidet, der das unfehlbare Glaubensgut der Kirche umfaßt und der von der Piusbruderschaft voll befürwortet wird, sowie einem solchen, der möglicherweise Diskutables enthält. Zu letzterem zählen aus Sicht der Piusbruderschaft die Konzilsdekrete über die Religionsfreiheit und den Ökumenismus. Sie werden von ihr in besonderer Weise als das „1789“ in der Kirche betrachtet. Bis zuletzt war umstritten, wie die künftige Haltung der Bruderschaft zum Konzil auszusehen hat. Rom will zuerst eine vollständige Anerkennung des Zweiten Vaticanums, erst auf diesem Boden besteht die Möglichkeit zur Kritik an einzelnen Beschlüssen. Die Bruderschaft sieht mit dieser Verpflichtung auf das gesamte Konzil ihre Identität gefährdet. Am 1. Dezember überreichte der deutsche Distriktsobere, Pater Franz Schmidberger, die Antwort der Vereinigung an der Kurie. Benedikt wies deren Anmerkungen als unzureichend zurück. Als ultimativen Termin setzte er den Vorabend seines Geburtstages fest. So blieb der Ausgang der Verhandlungen bis zuletzt offen.

Vatikan-Insider wie Andrea Tornielli prognostizierten früh den Erfolg der Bemühungen. Das wegen seiner Inhalte und Ausdrucksweise heftig umstrittene Internetportal kreuz.net sah bereits vor einiger Zeit ein „Horrorszenario für Altliberale“ voraus, also für jene, die die Spaltung als Beleg für Zeitgeistkonformität bereit waren in Kauf zu nehmen.

Einige Wochen wird es nach der lehrmäßigen Einigung noch dauern, den kirchenrechtlichen Status der Bruderschaft festzulegen. Wahrscheinlich ist die Errichtung einer Personalprälatur. Darunter versteht man einen geistlichen Verband, der unter der direkten Leitung des Apostolischen Stuhles steht. Wie das Opus Dei wäre die Gruppierung damit von der bischöflichen Gerichtsbarkeit unabhängig.

Unabhängig von der gefundenen Regelung dürften die Querelen weitergehen. Die Situation ist vor allem für Außenstehende unübersichtlich. Einige den Sedisvakantisten nahestehende Mitglieder der Piusbruderschaft, die sich stets gegen eine Vereinbarung mit Rom gewehrt haben, werden sich wohl abspalten. Bei ihnen handelt sich meist um polemisch-sektiererische Grüppchen, die der Auffassung anhängen, nach Pius XII. gebe es keinen legitimen Nachfolger Petri mehr, sondern nur noch Häretiker auf dem Papstthron. Verfechter dieser Ansicht, wie der „Sedisvakantisten-Pater“ Rolf Hermann Lingen, haben sich von der Lefebvre-Truppe in der Vergangenheit ohnehin scharf distanziert. Wie sich die innerhalb der Bruderschaft isolierte Gruppe um Williamson verhalten wird, ist schwer abzuschätzen.

Doch auch progressive Kritiker der Wiedereingliederung, die den „Geist des Konzils“ hochhalten und für die die Hardliner den Inbegriff des Fundamentalistisch-Rückschrittlichen darstellen, werden mit ihren Einwänden nicht hinterm Berg halten. Liberale Bischöfe, so ist zu vermuten, werden versuchen, die Vereinbarung zu torpedieren. Ein solches Verhalten erinnerte an Ausgrenzungsstrategien gegenüber Geistlichen der Priesterbruderschaft St. Petrus, die sich nach den kanonisch unrechtmäßigen Weihen von der Piusbruderschaft zwar trennten, in den Diözesen aber kaum Fuß fassen konnten. Der Arm des Vatikans ist innerkirchlich vielleicht nicht so lang, wie es scheint.

Foto: Bischof Bernard Fellay, Generaloberer der Piusbrüder, weiht neue Priester (2011): Prozeß der Aussöhnung mit Rom

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