© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/12 27. April 2012

Familienbetrieb mit hoher Reichweite
Großkonzern: Der Axel Springer Verlag hat zahlreiche Beteiligungen an Medien in ganz Europa
Ronald Berthold

Es ist eine Zahl, die die große, mitunter unheimliche Marktmacht belegt. Die Printmedien aus dem Axel Springer Verlag erreichen statistisch betrachtet 85,8 Prozent aller Deutschen. Zum hundertsten Geburtstag seines Gründers ist der Pressekonzern damit einflußreicher als es seine zahlreichen Gegner jemals befürchtet haben.

Beinahe jeder Mensch ab 14 Jahren zwischen Oder und Rhein liest den Erhebungen der Media-Analyse 2012 zufolge regelmäßig ein Springer-Blatt. Dazu gehören natürlich auch Doppelleser, also Menschen, die zum Beispiel Bild und den Metal Hammer oder die Welt und die Funkuhr konsumieren – insofern bleiben die knapp 86 Prozent ein rein statistischer Wert. Aber dennoch: Kein anderes Medienunternehmen in Deutschland kommt auf eine derartige Reichweite.

Im vierten Quartal 2011 erzielten die Springer-Medien in Deutschland trotz insgesamt langfristig sinkender Auflagen beachtliche Ergebnisse. Von den Zeitungen aus dem Haus verkauften sich insgesamt 5.340.498 Stück, wobei etwas mehr als die Hälfte auf das Konto der Bild-Zeitung geht. Aktuell liegt deren Auflage noch bei 2,7 Millionen verkauften Exemplaren. Auch um an die früheren Auflagenrekorde von 4,5 Millionen wieder heranzukommen, hat der Verlag eine große Werbekampagne zum 60. Geburtstag der Bild im Juni angekündigt. Flächendeckend sollte die Zeitung an alle Haushalte verteilt werden.

Allein die Ankündigung dieser Aktion hat eine Protestwelle, vor allem von linken Gruppen wie Campact ausgelöst. Über 170.000 Personen haben sich bereits auf einer Internetseite eingetragen, um zu zeigen, daß sie die Zeitung noch nicht einmal geschenkt haben wollen.

Besser läuft es bei den Zeitschriften aus dem Axel Springer Verlag, diese finden mehr Abnehmer. Ihre Gesamtauflage beträgt 8.377.233. Bestes Pferd im Stall ist hier die alle vierzehn Tage erscheinende TV Digital mit knapp 2,3 Millionen. Das einstige Flaggschiff Hörzu, das der Verleger einst selbst erfand, liegt nur noch bei 1,5 Millionen verkauften Stück – diese allerdings wöchentlich. Und die AutoBild mit ihrer relativ bescheidenen Auflage von 770.000 Stück erscheint selbst in Weißrußland, Indonesien und Aserbaidschan. Insgesamt erreichen Springers Printmedien hierzulande eine Auflage von knapp 14 Millionen Stück.

In dem Verlagshaus mit seiner Zentrale in Berlin-Kreuzberg sind mehr als 12.800 Mitarbeiter beschäftigt. Allerdings arbeiten nach Unternehmensangaben lediglich 27,8 Prozent für die in Deutschland erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften. Genauso viele sind für die Rubrik „Print International“ tätig, 23,5 Prozent für digitale Medien und 20,9 Prozent für die Holding und andere Dienste der Axel Springer AG.

Die Verteilung der Angestellten macht die internationale Ausrichtung des Verlages deutlich. Inzwischen ist Springer in ganz Europa engagiert und in Osteuropa sogar – wie in Deutschland – Marktführer. Gemeinsam mit dem Schweizer Ringier Verlag hat Springer vor zwei Jahren das Osteu-ropa-Geschäft in einer Holding gebündelt. Die beiden Unternehmen geben in Osteuropa gemeinsam mehr als einhundert Printmedien heraus. Darunter waren im Frühjahr 2010 genau 34 Zeitungen und 73 Zeitschriften. Hinzu kamen weit über 70 Online-Angebote.

Europaweit verantwortet Springer mehr als 230 Zeitungen und Zeitschriften. Über 160 Online-Angebote und 120 Apps kommen hinzu. Dazu gehören unter anderem Transfermarkt.de, Immonet und Stepstone. Auch im Rundfunkbereich ist der Medienkonzern aktiv. So bekannte Stationen wie Antenne Bayern, Berlins RS2 oder Niedersachsen FFN listet der Verlag in seinem Portfolio.

2007 beteiligte sich der Verlag unter seinem Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner (49) mit mehr als 60 Prozent am Postdienstleister Pin. Dafür blätterte das Unternehmen eine halbe Milliarde Euro hin – im nachhinein eine schlechte Investition. Nach erheblichen Verlusten und der Einführung des Postmindestlohns gab Springer dieses Engagement wieder auf.

Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Haus einen Umsatz von 3,2 Milliarden Euro. Der Gewinn lag bei knapp 600 Millionen Euro. Damit konkurriert das Verlagshaus mit den anderen Großen in dieser Branche: Burda, Bauer, Holtzbrinck und natürlich Bertelsmann.

Die Aktien des Verlages werden an der Börse gehandelt, und sie kratzen mit rund 36 Euro immer noch am Zehnjahreshoch; die Dividendenrendite betrug zuletzt 4,80 Euro. Lediglich 40,9 Prozent der Aktien befinden sich in Streubesitz. Der Rest liegt in den Händen des Verlages beziehungsweise der Familie. Axel Springers Witwe Friede (69) hält insgesamt knapp mehr als die Hälfte der Papiere, so daß das Haus trotz aller Beteiligungen im Grunde weiter ein Familienunternehmen bleibt.

Alle gegen Bild. Seite mit „Absageformular“ www.alle-gegen-bild.de

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