© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/12 04. Mai 2012

Alle Jahre wieder
Linksextremismus: Ausschreitungen am 1. Mai nimmt die Politik achselzuckend hin
Felix Krautkrämer

Es ist immer wieder verblüffend, mit welcher Ignoranz Politik und Medien das Thema Linksextremismus behandeln. Getreu der Devise: Es kann nicht sein, was nicht sein darf, wird heruntergespielt, beschwichtigt, verschwiegen und geleugnet. Linksextremistischen Ausschreitungen folgen halbherzige Distanzierungen gepaart mit augenzwinkerndem Verständnis und unverhohlener Sympathie für die angeblich hehren Motive der als „Jugendliche“ oder „Autonome“ verharmlosten Gewalttäter.

Politiker und Wissenschaftler, die auf die Gefahr hinweisen, die in Deutschland von der linksextremen Szene ausgeht, sehen sich dagegen schnell mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden „antifaschistisches Engagement kriminalisieren“ und „Rechtsextremismus verharmlosen“. Familienministerin Kristina Schröder kann ein Lied davon singen. Die CDU-Politikerin zog den geballten Haß der Opposition und linker Medien auf sich, weil sie es wagte, für Fördergelder im „Kampf gegen Rechts“ ein Bekenntnis zum Grundgesetz zu verlangen (siehe Seite 4).

Daß das vielgelobte „antifaschistische Engagement“ meist nicht nur legale Mittel der politischen Auseinandersetzung beinhaltet, sondern auch schwere Straftaten, spielt keine Rolle. Landläufig gilt: Wer gegen Rechts ist, gehört zu den Guten. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier brachte das im vergangenen November in einer Debatte im Bundestag zur sogenannten „Zwickauer Terrorzelle“ auf den Punkt, als er meinte: „Es gibt keine linksextremen Schlägertrupps in diesem Lande, die ganze Regionen terrorisieren.“ Ein Blick nach Berlin oder Hamburg, wo Wohnungseigentümer unter dem Schlagwort „Gentrifizierung“ bedroht und ihre Mieter mit Farbattacken und eingeschmissenen Fensterscheiben drangsaliert werden, wo Polizeireviere angegriffen und Autos in Brand gesetzt werden, wo Firmen wie die Deutsche Bahn, die Telekom oder die Posttochter DHL immer wieder linksextremistischen Übergriffen ausgesetzt sind und wo es zu massiven Anschlägen auf den S-Bahnverkehr kommt, hätten Steinmeiers Worte Lügen gestraft. Doch statt dessen erhielt der SPD-Politiker für seine dummdreisten Platitüden noch Applaus.

Die Naivität, mit der Politiker aller Parteien der linksextremen Szene begegnen, kennt offenbar keine Grenzen. Man stelle sich einmal vor, der Innenminister eines Bundeslandes würde im Vorfeld einer NPD-Demonstration ankündigen, die Polizei werde mit größtmöglicher Toleranz und ausgestreckter Hand reagieren, solange die Teilnehmer friedlich bleiben. Seine Tage als Minister wären gezählt.

Anders, wenn es sich bei den Demonstranten um Linksextremisten handelt. Dann kann gar nicht genug auf „Deeskalation“ und Verständnis gesetzt werden. Und das, obwohl sich diese Strategie, allen politischen Beteuerungen zum Trotz, nicht bewährt hat. Hunderte verletzte Berliner Polizisten in den vergangenen drei Jahren sprechen hier eine eindeutige Sprache. Wirklich friedlich war es am „Tag der Arbeit“ in den letzten 25 Jahren nie, und mittlerweile stellt sich auch nicht mehr die Frage, ob es am 1. Mai in der Hauptstadt zu Ausschreitungen kommt, sondern nur, ob diese schlimmer oder schwächer ausfallen als im Jahr zuvor.

Das Verhalten der Politik gegenüber militanten Linksextremisten ähnelt dem der Maus, die sich einer gefräßigen Schlange gegenübersieht: Nur nicht provozieren. Laßt den Chaoten doch ihren 1. Mai, ist ja nur einmal im Jahr. So schlimm wird’s schon nicht werden. Ein paar verletzte Polizisten, ein paar eingeschlagene Schaufenster, hier ein brennendes Auto, dort ein zerstörter Bankautomat, das ist nun mal der Preis der Demokratie, in der jeder das Recht hat, für sein Anliegen auf die Straße zu gehen. Dies muß zwar friedlich geschehen, doch diese Einschränkung scheint für den „Schwarzen Block“ nicht zu gelten.

Die linksextreme Szene weiß längst, daß sie außer ein paar mahnenden Worten nichts zu befürchten hat. Und sie reagiert darauf mit wachsender Gewalt, wie die Kriminalstatistiken seit Jahren beweisen. Doch die Politik weigert sich, die Zahlen ernst zu nehmen, und die Medien haben kein Interesse, darüber zu berichten. Für sie gibt es wichtigere Nachrichten. Zum Beispiel, daß die Mitglieder der „Zwickauer Terrorzelle“ im Internet auch Sexseiten besuchten und die Katzen des Trios nun ein Leben im Tierheim fristen müssen.

Doch solange Linksextremismus in Deutschland nicht als existierendes Problem wahrgenommen wird, solange wird auch die linksextreme Gewalt kein Ende nehmen. Wenn etablierte Parteien, Gewerkschaften und Kirchen im „Kampf gegen Rechts“ Bündnisse mit gewaltbereiten Antifa-Gruppen eingehen, dürfen sie sich auch nicht wundern, wenn es aus der gemeinsamen Demonstration heraus zu Angriffen auf Polizisten kommt. Sind diese doch aus antifaschistischer Sicht letztlich nur die Vertreter eines Überwachungs- und Repressionsstaates.

Wer – wie Berlins Innensenator Frank Henkel und die Polizeiführung der Hauptstadt – die linksextremistischen Aufrufe zur Gewalt, zur Revolution und zur Überwindung des Systems nicht ernst nimmt, sondern mit demonstrativer Gelassenheit anmerkt, das habe es früher auch schon gegeben, der darf sich hinterher auch nicht darüber beklagen, wenn es – wie in der Vergangenheit – zu Ausschreitungen kommt.

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