© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/12 04. Mai 2012

Matter Wahlkampf zwischen den Meeren
Schleswig-Holstein: Bei der vorgezogenen Landtagswahl macht sich unter Wählern und Parteien gleichermaßen Wahlmüdigkeit breit
Hans-Joachim von Leesen

In Schleswig-Holstein macht sich Wahlmüdigkeit breit. Die Bürger nehmen es eher mürrisch hin, daß die Parteien sie vorzeitig wieder an die Wahlurne rufen. Hintergrund ist ein Urteil des Landesverfassungsgerichts, das das Wahlgesetz, nach dem 2009 gewählt worden war, für verfassungswidrig erklärt hatte.

Also mußten sich die Parteien eher unwillig erneut in den Wahlkampf stürzen. Die beiden großen Parteien luden medienwirksam zu zwei Großveranstaltungen ein; die CDU in die Sparkassenarena in Kiel, wo Bundeskanzlerin Angela Merkel vor 5.000 Anhängern, die mit Bussen aus allen Himmelsrichtungen herangekarrt wurden, den Spitzenkandidaten Jost de Jager „einen tollen Typ“ nannte, während die SPD in Elmshom ihre Troika Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier immerhin 400 begeisterten Anhängern präsentierte, zu denen später auch der SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig stieß. Ansonsten herrschte Ruhe im Land. Die inhaltsarmen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien fanden zumeist mit Hilfe von Presseerklärungen statt.

Erst gegen Ende des Wahlkampfes gab es noch einmal Aufregung, als die Flensburger CDU in einem Flugblatt die Partei der dänischen Minderheit, den Südschleswigschen Wählerverband (SSW), kritisierte, der erklärt hatte, er würde sich diesmal an einer Regierung aus SPD und Grünen beteiligen. Eine solche Festlegung hatte der SSW bisher stets vermieden, um seine Sonderstellung als Partei der nationalen Minderheit der Dänen nicht zu gefährden. Diesem Status allein aber verdankt die Partei die Befreiung von der Fünfprozenthürde. Allerdings hatten führende Vertreter des SSW in der letzten Zeit mehrfach öffentlich erklärt, ihre Partei sei nunmehr eine Partei wie alle anderen auch. Eine Anschauung, für die in der Tat einiges spricht: Mittlerweile ist der SSW in ganz Schleswig-Holstein wählbar, also auch in Gebieten, wo es niemals eine dänische Minderheit gegeben hat. Eine Entwicklung, die den Sonderstatus des SSW langfristig in Frage stellen könnte. Als jetzt die CDU den Finger in diese Wunde legte, heulten die anderen Parteien auf und warnten vor antidänischer Hetze. Doch es gibt auch andere Gründe für diese Reaktionen: Da die Umfragen für Sonntag ein äußerst knappes Wahlergebnis vorhersagen, könnten SPD und Grüne durchaus auf die Stimmen des SSW angewiesen sein.

Von den Freien Wählern dagegen war im Wahlkampf wenig zu hören. Ihr Landesverband hatte mit Mühe und Not die notwendigen Unterschriften beigebracht, um eine Landesliste aufzustellen. Man sah in Städten einzelne Plakate und einige Informationsstände. Vergeblich hatte der Landesverband auf die zugesagte Unterstützung durch die Bundespartei gewartet. So bleibt es wohl trotz des Wahlkampfes mit dem Thema Euro-Krise bei einem Ergebnis um die 1,5 Prozent wie bei der vergangenen Landtagswahl.

Kurz vor der Wahl wurden für CDU und SPD jeweils 31 Prozent, für die Grünen 12,5 Prozent vorhergesagt, während die FDP mittlerweile wieder mit bis zu sieben Prozent rechnen kann. Dieser Wiederaufstieg ist allein ein Verdienst des ebenso flapsigen wie intelligenten Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki, auf den wohl auch das einzige Wahlplakat zurückgeht, das mit seinem Slogan „Wählen Sie doch, was Sie wollen. FDP“) unter den der übrigen Parteien hervorsticht („Klare Kante – CDU“, „Für unser Lieblingsland – SPD“ und „Für hier mit Dir – Grüne“). Gespannt wird auch im Norden auf die Piraten geschaut, die in den Umfragen bei neun Prozent lagen und damit sicher in den Kieler Landtag einziehen dürften.

Gleichzeitig gaben allerdings 40 Prozent der Befragten an, sie hätten sich noch nicht entschieden. Rätselhaft erscheint, daß zwar über 50 Prozent für den von CDU und FDP verfolgten strengen Sparkurs eintreten – Schleswig-Holstein muß alleine jährlich eine Milliarde Euro an Zinsen zahlen –, daß aber fast zwei Drittel mehr Geld für Schulen verlangen und über 50 Prozent ein vom Staat finanziertes kostenloses Kindergartenjahr erwarten. Offenbar wird noch immer verdrängt, daß Schleswig-Holstein eigentlich pleite ist. Daran wird auch die Wahl nichts ändern.

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