© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/12 04. Mai 2012

„Überrascht und enttäuscht, aber nicht entmutigt“
Kanada: Trotz eines sensationellen Wahlerfolges muß sich die libertäre Wildrose Party Albertas geschlagen geben
Oliver Seifert

Am I surprised? Yeah. Am I disappointed? Yeah. Am I discouraged? Not a chance.“ Danielle Smith, die Parteichefin der Wildrose Party Albertas, zeigte sich angesichts des alle Wahlvorhersagen widersprechenden Resultats kämpferisch. Über mehrere Wochen hatten die Auguren einen historischen Wahlerfolg der libertären Wildrose Party über die seit 41 Jahren in Alberta regierenden Konservativen für möglich gehalten.

Am Ende reichte es nur zu 17 Mandaten. Die Progressiv-Konservative Partei unter Premier Redford verlor zehn Sitze, besitzt aber immer noch eine solide Zweidrittelmehrheit im Parlament. Liberale und Sozialdemokraten mußten sich mit zusammengerechnet neun Mandaten zufriedengeben.

Vorausgegangen war ein mit harten Bandagen ausgetragener Wahlkampf, in dem sich die beiden Alpha-Frauen Alison Redford und Danielle Smith nichts schenkten. Den Ausschlag gab wohl die relative politische Unerfahrenheit der charismatischen und charmanten Herausforderin: Zwei ihrer eigenen Kandidaten hatten im direkten Vorfeld der Wahlen Äußerungen getätigt, die – wohl gerechtfertigterweise – als homophob und rassistisch verstanden wurden, ohne daß die Parteichefin sie dafür zur Rechenschaft zog.

Die 41jährige Smith gelangte auf Umwegen in die Politik. Bekannt wurde sie durch ihre Tätigkeit als Journalistin beim Calgary Herald sowie als Gastgeberin einer kanadaweit ausgestrahlten TV-Talkshow. Als Direktorin für Provinzangelegenheiten beim Kanadischen Bund Unabhängiger Unternehmer repräsentierte sie die Interessen von mehr als 10.000 Mitgliedern.

Ihre libertär geprägten politischen Überzeugungen manifestierten sich in der Botschaft der Wildrose Party, deren Vorsitzende sie 2009 werden sollte: mehr persönliche Freiheit, weniger Staatsinterventionismus, verantwortungsvolle Fiskaldisziplin und unternehmensfreundliche Wirtschaftspolitik.

In der jungen Wildrose Party, die bis zu diesen Wahlen noch kein einziges Mandat errungen hatte, kamen desillusionierte soziale Konservative und Libertäre zusammen, um den regierenden Konservativen das politische Wasser abzugraben. Schnell griffen die linken Parteien jedoch zu altbewährten Mitteln und bezichtigten die junge, aufstrebende Partei des Rechtsradikalismus.

Da weder die Liberalen noch die Sozialdemokraten in Alberta darauf hoffen konnten, selbst auf einen grünen Zweig zu kommen, entschlossen sich wohl manche ihrer Wähler zähneknirschend dazu, diesmal den Konservativen ihre Stimme zu geben, „um das Schlimmste“ zu verhindern.

Der kanadische Premier Harper zeigte sich über den Wahlausgang erfreut, enthebt ihn dieser doch von der Notwendigkeit, einen im Osten des Landes als „radikal“ empfundenen Konservatismus zu verteidigen. Er selbst kommt aus den Reihen derjenigen, die seit Jahrzehnten Alberta regieren, obgleich auch ihm Sympathien für die Wildrose Party nachgesagt werden.

Für Kanada bedeutet der Wahlausgang, daß seine reichste Provinz und der größte Nettozahler im Bund weiterhin ein „Teamspieler“ sein wird, denn Smith hatte weitaus mehr als die Tories auf eine größere Autonomie der Provinzrechte gepocht, besonders was die Rentenkasse und das Gesundheitssystem betrifft.

Es waren diese Forderungen nach Autonomie sowie einer Stärkung der Rechte von Landeigentümern gegenüber der Regierung, die der Wildrose Party in der Vergangenheit ihren bisher beispiellosen Aufwind bei den Wählern beschert hatten. Auf der anderen Seite wird Alberta auch weiterhin ein von den Konservativen favorisiertes Budgetdefizit haben, das Smith vor den Wahlen rigoros kritisiert hatte.

Die Enttäuschung und Frustration in der jungen, libertären Partei sitzen tief, obgleich ein beachtlicher Erfolg errungen wurde: Innerhalb von nur vier Jahren erhöhten sie ihren Stimmenanteil von knapp sieben auf nun 35 Prozent, und müssen sich nur wegen des einfachen Mehrheitswahlrechts – die Tories erreichten 44 Prozent – mit wenig mehr als einem Viertel der Sitze der Konservativen zufriedengeben.

Es liegt nun an der jungen, dynamischen Smith, die Partei als „Her Majesty’s Opposition“ in Alberta zu einer echten Alternative für eine weitgehend konzeptionslose Konservative Partei zu transformieren. Die größte Herausforderung wird dabei sein, libertäre und konservative Überzeugungen bezüglich sozialer Streitpunkte miteinander in Einklang zu bringen, um in der Zukunft Rohrkrepierer zu vermeiden, die der Partei den vermeintlich sicheren Wahlsieg kosten.

Vor der Wahl hatten Gegner ihr und ihren Kandidaten Unerfahrenheit auf dem politischen Parkett vorgeworfen. Dieses Manko werden sie auf den Oppositionsbänken nun ausbügeln können, um 2016 einen zweiten Versuch zu starten, der dann 45jährigen politischen Alleinherrschaft der Progressiv-Konservativen Partei ein Ende zu bereiten.

www.wildrose.ca

Foto: Wildrose-Parteichefin Danielle Smith dankt am Wahlabend ihren Unterstützern: Auf einen neuen Anlauf im Jahr 2016

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