© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/12 11. Mai 2012

Kranker Scheungraber bleibt in Freiheit
Justiz: Dauerhafter Aufschub für Wehrmachtsoffizier
Marcus Schmidt

Der ehemalige Gebirgsjäger Josef Scheungraber, der 2009 wegen der Beteiligung an einer Vergeltungsaktion in Italien im Jahr 1944 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde, muß nicht ins Gefängnis. Das Landgericht München I schob die Vollstreckung der Freiheitsstrafe in einem in der vergangenen Woche gefaßten Beschluß, der der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, auf unbefristete Zeit auf.

Zur Begründung heißt es darin, der mittlerweile 93 Jahre alte Verurteilte sei „nicht nur vorübergehend für einen Behandlungsvollzug geistig-intellektuell nicht mehr ansprechbar“. Ursache hierfür sei die inzwischen „signifikant fortgeschrittene“ Demenz Scheungrabers. „Nachdem eine Besserung nicht zu erwarten ist, sondern die Erkrankung des Verurteilten nach dem medizinischen Wissen stufenweise zu einer schweren Demenz fortschreiten wird, war der Strafaufschub nicht zu befristen“, heißt es abschließend in dem Beschluß der Münchner Richter.

Das Landgericht München hatte es in dem im August 2009 nach 40 Verhandlungstagen mit der Verurteilung Scheungrabers endenden Prozeß gegen den früheren Leutnant als erwiesen angesehen, daß dieser 1944 als Kompaniechef an einer Vergeltungsaktion gegen italienische Zivilisten beteiligt war und ihn wegen zehnfachen Mordes und versuchten Mordes verurteilt. Scheungraber hatte eine Beteiligung an dem Einsatz, mit dem die Tötung zweier deutscher Soldaten durch italienische Partisanen gesühnt werden sollte, stets bestritten. Militärische Experten hatten zudem während der Verhandlung Zweifel am Tathergang geäußert (JF 23/11).

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes verstieß die Verurteilung Scheungrabers, der bereits 2006 in Italien in Abwesenheit zu einer lebenslangen Haft verurteilt worden war, nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung, da das italienische Urteil nicht vollstreckt worden ist.

Im Oktober 2010 hatte der Bundesgerichtshof die von Scheungrabers Verteidigung eingelegte Revision abgewiesen. Seitdem ist das Urteil rechtskräftig.

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