© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/12 11. Mai 2012
Zwischen Reichstag und Kanzleramt Obwohl Rainer Brüderle weder am vergangenen Sonntag in Schleswig-Holstein zur Wahl stand, noch am kommenden Sonntag in Nord-rhein-Westfalen kandidiert, hat es der FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag zum Wahlkampfthema geschafft. Schuld ist ein Brief der FDP-Fraktion, in dem unter anderem das Ende der Verschuldungspolitik gefordert wird („Staatsschulden sind das süße Gift der Politik“) und der im Namen Brüderles an Tausende Haushalte in Deutschland verschickt worden ist – eben auch in die von den Parteien umkämpften Bundesländer Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Schnell stand daher der Verdacht der illegalen
Parteienfinanzierung im Raum. Vor allem die Grünen in Nord- Der Düsseldorfer Verfassungsrechtler Martin Morlok, der von den Grünen mit einem Gutachten beauftragt worden war, kam darin zu dem Ergebnis, daß die Werbung der FDP-Fraktion gegen geltendes Recht verstößt: Die Fraktion habe unzulässigerweise auf Kosten der Steuerzahler für ihre Partei geworben. Die Gestaltung und der Inhalt des Brüderle-Briefes hätten einen „deutlich werbenden Charakter“, lautete sein Urteil. Dagegen verteidigte die FDP erwartungsgemäß das Schreiben im Namen ihres Fraktionschefs. „Als Bundestagsfraktion haben wir die Aufgabe, die Bevölkerung regelmäßig über die Arbeit unserer Abgeordneten im Deutschen Bundestag zu informieren“, rechtfertigte Fraktionssprecherin Beatrix Brodkorb das Vorgehen. Sie verwies zudem darauf, daß der seit Jahresanfang geplante Brief nicht regional auf die wahlkämpfenden Bundesländer begrenzt worden sei, sondern deutschlandweit laufe. Zum Beleg wurde ein Gegengutachten der Universität Tübingen präsentiert, das die Aktion als „zulässige öffentlichkeitswirksame Maßnahme“ im Sinne des Abgeordnetengesetzes einstufte. Mit der FDP steht nicht zum ersten Mal ein politischer Akteur für eine Werbekampagne mit undurchsichtiger Finanzierung am Pranger. Derlei politische Aktionen sorgen immer wieder für Aufregung. Erst im vergangenen Jahr gab es kritische Nachfragen, als die Bundesregierung für rund drei Millionen Euro Werbeanzeigen in Zeitschriften und Magazinen schaltete, in denen Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchte, ihr Wirken während der Euro- und Schuldenkrise ins richtige Licht zu rücken. Die Medien, in denen die bezahlten Anzeigen erschienen, hielten sich mit ihrer Kritik an der Kampagne übrigens auffallend zurück. |