© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/12 11. Mai 2012

Blick in die Medien
Bitte keine Piraten-Worthülsen mehr
Toni Roidl

Viele Journalisten haben einen miesen Ruf. Neben Recherchefaulheit werden oft ein eklatanter Mangel an Allgemeinbildung sowie stilistische Schwächen beklagt. Doch zumindest letztere haben die deutschen Journalisten mit Bravour optimiert. Die Phantasie beim Formulieren blüht wie nie. Dank der Piratenpartei.

Endlich dürfen die Männer in den Redaktionen wieder in der Welt ihrer Kindheitsabenteuer schwelgen, statt immer nur keks-trockene Börsenberichte zu texten. Die Berichterstattung über die Polit-Piraten regt die Redakteure vom Lokalblättchen bis zum Qualitätsleitmedium zu metaphorischen Höchstleistungen an.

Leinen los zur kleinen Hitparade der meistgelesenen Piraten-Phrasen: Piratenpartei hat Segel gesetzt (Hamburger Abendblatt), Piraten segeln der FDP davon (Stern), Piraten segeln den Grünen davon (Die Presse), Piraten kapern Landtage (ORF), Piraten entern Neumünster (Bild), Piraten lassen hohes Mitglied über die Planke gehen (ZDF), Piraten dulden keine Nazis im Boot (Welt), Piraten wollen nicht in antisemitisches Brackwasser geraten (Rheinische Post), Piraten mit dem Holzbein auf dem Holzweg (Hamburger Abendblatt).

Hier ging die Phantasie durch: Auf dem Piratenschiff knarzt es im Gebälk – manche Spitzenkräfte streichen überlastet die Segel (Welt). Das schönste Wortspiel: Spitzenkandidat der Piraten in Schleswig-Holstein will Kiel holen (Cicero).

Diese Überschriften hat sich keiner getraut: Piratinnen müssen das Deck schrubben (zum Streit um die angebliche Benachteiligung von Frauen in der Partei). Oder: Piraten mit zwei Augenklappen (Zum Versäumnis der Piraten-Süd, das übernommene Programm-Nord landesspezifisch anzupassen).

Aber im Ernst: So langsam hängen einem die Seeräuber-Sprachbilder zur Kombüse raus! Es ist Zeit, damit aufzuhören.

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