© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/12 11. Mai 2012

Straftäter oder Willküropfer?
Eine Meldung und ihre Geschichte: Die „Westfalenpost“ berichtet über den Fall eines Asylanten – und verdreht gehörig die Fakten
Ronald Gläser

Aus Deutschland werden jährlich etwa 8.000 Personen abgeschoben. Oft handelt es sich um ehemalige Asylbewerber, die nicht als politisch Verfolgte anerkannt worden und zudem mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind.

Einer von ihnen war Adil R., ein Zigeuner aus dem Kosovo. Er wurde in der letzten Aprilwoche aus seiner Wohnung in Brilon im Hochsauerlandkreis abgeholt und nach Pristina abgeschoben.

Die Westfalenpost hat unter Berufung auf das „Roma-Center Göttingen“ empathisch über den Fall berichtet. In seiner Heimat gehöre er zu einer „verfolgten Minderheit“, hieß es in dem Artikel. R. sei bestens integriert, spreche fließend deutsch und sei so fleißig, daß er gleich zwei Jobs habe. Nun drohe auch seiner Frau und seinem Kind die Abschiebung. Die Straftaten, wegen denen er nun abgeschoben würde, seien doch nur harmlose Delikte wie Schwarzfahren gewesen. Abscheulich sei die Haltung der Behörden, wird ein Abschiebungsgegner zitiert.

Abschiebungen werden oft in den Massenmedien von solchen Berichten begleitet. Selten melden sich die Behörden zu Wort. Diesmal war das anders. Der zuständige Landkreis hat sich an die Öffentlichkeit gewandt: Der Asylantrag von R. sei abgelehnt worden. „Adil R. wurde wegen fünf verschiedener Delikte verurteilt: Unterschlagung/Betrug, versuchter Betrug, Sachbeschädigung, Diebstahl und Erschleichung von Leistungen.“

Der Tenor der Berichterstattung käme einer „Bagatellisierung“ gleich, so die Behörde. Der Abgeschobene, der munter Sozialhilfe kassiert habe, sei lediglich einem 400-Euro-Job nachgegangen. Seiner Familie drohe gar keine Abschiebung.

Die Behörden-Stellungnahme ist eine Ohrfeige für die Westfalenpost. Jürgen Hendrichs, der Briloner Lokalchef und Autor des Artikels, sieht sich trotzdem im Recht. „Der Junge hat den Kosovokrieg erlebt, den wir nur im Fernsehen vor dem Umschalten zu Tuttifrutti gesehen haben“, gab er gegenüber der JUNGEN FREIHEIT zu bedenken. Auch wenn die Abschiebung formal berechtigt gewesen sei, so sei sie menschlich nicht nachvollziehbar.

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