© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Erziehungsgedanke im Vordergrund
Kriminalität: Urteile gegen die Jugendlichen der Uelzener „Douglas-Bande“ sorgen für Unmut
Hinrich Rohbohm

Die Urteile sind gesprochen. Sechs Mitglieder der sogenannten Douglas-Bande von Uelzen sind vor dem Lüneburger Landgericht zu Haftstrafen zwischen 16 und 36 Monaten verurteilt worden. Der Kosovo-Albaner Ismail N. (20) muß für drei Jahre hinter Gitter, sein osteuropäischer Komplize Robert K. (19) für zweieinhalb Jahre. Das Gericht sieht es als erwiesen an, daß N. am 2. Juli 2011 gegen drei Uhr morgens in der Uelzener Innenstadt einem 41 Jahre alten Mann eine Bierflasche aus zwei Metern Entfernung ins Gesicht geworfen hatte. Die Flasche zersplitterte, das Opfer ging blutüberströmt zu Boden. Anschließend hatte K. ihm mehrere Tritte gegen den Kopf verpaßt. Der Mann erlitt einen lebensgefährlichen Bruch der Stirnhöhle, die Täter flüchteten.

Die beiden Verurteilten waren vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts zunächst wegen versuchten Totschlags angeklagt. Die Richter sahen in der Tat jedoch lediglich eine gefährliche Körperverletzung. Die Haftbefehle gegen die beiden Beschuldigten, die sich neun Monate in Untersuchungshaft befunden hatten, wurden aufgehoben, da laut Gericht keine Fluchtgefahr bestehe. „Wo sollten sie denn auch hin? Etwa zurück in den Kosovo?“ fragte Richter Axel Knaack rhetorisch in den Gerichtssaal hinein. Da die Untersuchungshaft mit der Freiheitsstrafe verrechnet werde und man üblicherweise bei guter Führung nach zwei Dritteln der verbüßten Haft freikomme, wäre N. in weniger als einem Jahr ohnehin wieder auf freiem Fuß, rechnet sein Verteidiger vor. Dennoch wertet er die dreijährige Haftstrafe für seinen Mandanten als „hartes Urteil“. „Ich werde auf jeden Fall in Revision gehen“, kündigt er gegenüber der JF an.

In einem weiteren Prozeß sind zudem Mostafa E., Hamze E., Iza I. und Achmed B. zu Haftstrafen verurteilt worden. Die kurdisch-libanesischstämmigen Angeklagten im Alter zwischen 18 und 20 Jahren hatten sich der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung sowie der Körperverletzung schuldig gemacht. Unter anderem waren sie in das Geschäft eines Kaufmanns gestürmt, hatten dem Ladeninhaber ein Messer vorgehalten und versucht, von ihm Schutzgeld zu erpressen.

Vor Gericht stellte sich heraus: Unter den vier Beschuldigten befinden sich auch zwei Mitglieder der kurdisch-libanesischen El-Zein-Familie. Polizeipressesprecher Kai Richter hatte dies im Vorfeld des Prozesses gegenüber der JF zunächst weder bestätigen noch dementieren wollen. Ein Uelzener Einzelhandelskaufmann war mit einem Mitglied der Familie einst zur Schule gegangen. „Einer von denen sitzt eigentlich immer im Knast“, hatte er der JF erzählt. Die Familie sei schon seit langem in Uelzen. Ursprünglich seien es „sieben bis acht Brüder“ gewesen, die schon vor Jahrzehnten nach Deutschland gekommen seien. Bei den Angeklagten handle es sich um deren Kinder. Unter Bekannten spreche man schon seit längerem nur von der „El-Zein-Mafia“. Der Verkäufer eines Bekleidungsgeschäfts in der Uelzener Innenstadt kennt einen der Väter. „Eigentlich tragisch, was da abgelaufen ist. Der Vater ist in Ordnung, total integriert, gerade für ihn tut mir das leid“, sagt der Mann.

Während Mostafa E. für zwei Jahre und vier Monate einsitzen muß, bleiben die anderen drei Angeklagten auf freiem Fuß. Achmed B. erhielt eine Bewährungsstrafe von 16 Monaten, Iza I. kam mit 20 Monaten auf Bewährung davon. Bei Hamze E. hingegen wird die Freiheitsstrafe nur dann zur Bewährung ausgesetzt, wenn er innerhalb der nächsten sechs Monate nicht erneut eine Straftat begeht.

Gewerbetreibende in der Uelzener Innenstadt zeigen sich enttäuscht von den ihrer Meinung nach „viel zu milden“ Urteilen. Schließlich seien die Täter mehrfach einschlägig vorbestraft. „Was muß denn noch alles passieren, damit mal einer eingelocht wird?“ fragt ein Ladeninhaber, der nicht genannt werden möchte. „Daß die nach all den Vorfällen wieder frei durch unsere Straßen ziehen, hinterläßt bei mir schon ein ungutes Gefühl“, sagt eine Verkäuferin aus der Fußgängerzone. Sie meint damit die Diebstähle und Pöbeleien, mit denen die Angeklagten Passanten und Ladeninhaber über Monate eingeschüchtert hatten. Während des Prozesses gegen Ismail N. und Robert K. waren gar Journalisten bedroht und Zeugen eingeschüchtert worden.

Auch in Internet-Leserkommentaren zu Berichten über die Urteile kommt deutlicher Unmut zum Ausdruck: „Toll!!! Die Opfer müssen ein Leben lang mit den Folgen leben. Und die ‘lieben Täter’???? Kuschelkurs und erhobener Zeigefinger!! Es ist zum kotzen“, schreibt „mato“. Und „gast“ schreibt: „Revision zeigt uns doch, wie uneinsichtig diese Früchtchen sind. Das ist alles nur gespielte Reue, die haben nichts begriffen. Raus aus Deutschland mit denen aber schnell.“

Einige Mitläufer der Gruppe, die sich regelmäßig vor dem Douglas-Geschäft in der Lüneburger Straße traf und durch Diebstähle, Handgreiflichkeiten und Pöbeleien unangenehm aufgefallen war, tauchen auch heute noch vor der Parfümerie auf. Man beobachtet das Straßengeschehen, feixt. Manchmal kommen ein paar Sprüche dazu, die Passanten hinterhergerufen werden. Doch die Aggressivität von einst bleibt aus, seit der harte Kern verhaftet wurde. „Seitdem ist es schon ruhiger geworden“, erzählen Gewerbetreibende. „Der öffentliche Druck hat zu einer Erwartungshaltung geführt, die nicht zu erfüllen ist“, sagte Richter Axel Knaack bei der Urteilsverkündung gegen Ismail N. und Robert K. Im Jugendstrafrecht stehe jedoch nun einmal der Erziehungsgedanke im Vordergrund, begründete er das Strafmaß. Bei den Angeklagten sei „einiges schiefgelaufen“, ihre Pöbeleien zeugten von „jugendlicher Unreife“. Jedoch sei N. durch die Berichterstattung der Medien „stigmatisiert“ worden.

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