© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Rückzug in die Eleganz
Ausstellung: Wilhelm Lachnit in der Städtischen Galerie Dresden
Sebastian Hennig

Während nach 1945 im Adenauerstaat schnell der Anschluß an die amerikanische Manier gesucht wurde, galt für die eigenwilligen Künstler in Mitteldeutschland die Vorbildfunktion der großen Franzosen und eine entsprechende Boheme-Attitüde noch Jahrzehnte. Bei manchen Malern stiftete diese Beziehung erstaunliche Werke, zeitigte aber auch eine Menge befangene und epigonale Leistungen. Die unterschiedliche Disposition von Jüngern und Meistern ließ sich nicht immer durch produktive Mißverständnisse überbrücken.

Zu den wirklich geglückten Symbiosen dieser Begegnung gehört das reife Werk des Dresdner Malers Wilhelm Lachnit (1899–1962). Dessen präziser und lebensvoller Beitrag zur Malerei der „Neuen Sachlichkeit“ in Dresden, der in der gleichnamigen Ausstellung im vergangenen Jahr an bedeutender Stelle vertreten war, ist diesmal nicht Gegenstand der Ausstellung. Das früheste der gezeigten Bilder entstand 1940/41. Der „Akt mit Homerkopf“ beschwichtigt mit honiggelben Tönen. Schon die Feinmalerei seiner sachlichen Periode lag jeder ätzende Verismus fern. Jetzt tariert sich seine Form und Farbe immer entschiedener auf Wohlklang und Stabilität, vermeidet aber dabei die Erstarrung und Ermüdung, die vielen figurativen Bildern der unmittelbaren Nachkriegszeit eigen ist. Ohne weiteres hält sich diese Malerei neben der von Albert Marquet, Pierre Bonnard und Gefährten. Wie eine geographische Bestätigung wirkt es, daß zwei Leihgaben für die Dauer der Ausstellung „Wilhelm Lachnit – Refugium und Melancholie“ jetzt aus einer Sammlung in Aix-en-Provence zurück an den Ort ihrer Entstehung gelangen.

Die Neigung zu einem klaren linearen Gerüst der Bilder und eine dichte Stofflichkeit des Farbauftrags verweisen unverkennbar auf den deutschen Künstler. Die heitere Musikalität leuchtender Farbtöne, die großzügige dekorative Anlage und eine unaufdringliche Monumentalität bekunden eine echte Wahlverwandtschaft zur mediterranen Kunst.

Im „Blick vom Atelierfenster in der Akademie“ (1947) von der Brühlschen Terrasse über die Flußbiegung der Elbe mit zwei Brücken hin zu den zum Massiv überhöhten Lößnitzhängen fliegt eine symbolische Taube ein. Ein zerstörter Bogen der Augustusbrücke ist durch ein Holzgerüst ersetzt. Ein großgemusterter Vorhang ist pomphaft drapiert. Das Bild kündet von Versöhnung und Aufbruch. Lachnit ist unter den Berufenen als im April jenes Jahres der Hochschulbetrieb wiederaufgenommen wird. Das Akademiegebäude scheint eine symbolische Arche aus der ein geistiger Neuanfang hervorgehen sollte, während die Fluten der Verwüstung langsam zurücktreten und dabei sowohl Trümmerfelder, aber auch ungebrochener Lebenswille zutage treten. Aber die Hoffnung erweist sich bald als trügerisch, und die Taube hält keinen Ölzweig im Schnabel. Sie ist selbst gefährdet und sucht Zuflucht im Refugium des melancholischen Künstlers. Tatsächlich dauert es nicht lange bis das Selbstverständliche wieder so randständig ist wie zuvor.

1953 dekliniert die „Dritte Deutsche Kunstausstellung“ den hohlen Naturalismus der stalinistischen Ideologie. Professor Lachnit wird gedrängt, sich vom Hochschuldienst beurlauben zu lassen. Es blieb manche Möglichkeit zu vorsichtigem tätigen Widerspruch gegen diese Treiberei. In der städtischen Auftragskommission und im Künstlerverband vermag er bis zuletzt jene Spannungen, die ihn bedrängen und krank machen, zumindest für andere zu mindern. Als Fürsprecher der talentierten Jungen kann er durch konkrete Hinweise die Funktionäre hindern, deren hoffnungsvolles Beginnen über ihren bedenklichen Kamm zu scheren. Zudem machten die Künstler, die sich nicht ganz von allen guten Geistern verlassen fühlen mußten, das Beste aus der Situation. Lachnit, der in dieser Zeit viele seiner besten Bilder malt, macht sich mit baugebundenen Aufträgen nützlich und bezahlt und zeichnet vor der Filmkamera die Arbeiter eines Gießereibetriebs.

Als sich die künstlerisch-ideologische Disparität nicht mit weiteren Beurlaubungen kaschieren läßt, wird das Anstellungsverhältnis im Sommer 1954 beendet. Die Gehaltsansprüche erlöschen, aber das Atelier in der Akademie darf er weiter nutzen. Innerhalb und parallel zur staatlich alimentierten Züchtung wächst in einem heimlichen Meisteratelier leise die Kunst der neuen Generation heran. Treffpunkte einer „Kleinen Akademie“ um Lachnit waren das Gartenhaus von Ludwig Richter, wo auch Jahresausstellungen des Kreises stattfanden, und das Atelier von Otto Dix.

Die Ausstellung „Refugium und Melancholie. Der Maler Wilhelm Lachnit“ ist bis bis 3. Juni in der Städtischen Galerie Dresden, Wilsdruffer Straße 2, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Fr. bis 19 Uhr zu sehen. Der Katalog kostet 20 Euro. Telefon: 03 51 / 4 88 73 72 www.galerie-dresden.de

Foto: Wilhelm Lachnit: Knabe mit Kanarienvogel, 1946

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