© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Frauen als Elitesoldaten der Bundeswehr?
Weibliche Komponente
Dieter Farwick

Die feminine Komponente des KSK erweitern“ – mit dieser Forderung überraschte der Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte (KSK), Brigadegeneral Heinz Josef Feldmann, seine Gäste bei dem Neujahrsempfang Ende Januar in Calw. Frauen in den Spezialeinheiten der Bundeswehr?

In Zeiten der asymmetrischen Kriegsführung gibt es die Unterscheidung zwischen Kampfzone und „kampffreier Zone“ nicht mehr. Auch Versorgungs- und Sanitätseinsätze zur Unterstützung der kämpfenden Truppe laufen Gefahr, in einen Hinterhalt zu geraten oder durch einen Selbstmordattentäter angegriffen zu werden. Damit geraten auch Frauen, die in der Logistik oder im Sanitätsdienst eingesetzt sind, in die „Kampfzone“, falls sie die gesicherten Camps verlassen.

Diese Gefährdung darf nicht dazu führen, daß die Soldatinnen in den relativ sicheren Camps verbleiben, während die Soldaten die gefährlichen Einsätze außerhalb der Camps ausführen müssen. Eine derartige Rücksichtnahme wäre dem inneren Gefüge solcher Einheiten abträglich. Wenn Frauen den Dienst in den Streitkräften freiwillig anstreben, müssen sie bereit sein, das Risiko ihrer männlichen Kameraden zu teilen. Auch Vorgesetzte dürfen bei dem Einsatz ihres Personals keine geschlechtsspezifischen Unterschiede machen.

Es darf Frauen bei ihrer Verpflichtung nicht zugesichert werden, während ihrer Dienstzeit nicht zu Auslandseinsätzen befohlen zu werden. Zudem muß bei der Verpflichtung sichergestellt werden, daß es keine familiären Bedingungen – beispielsweise den Status einer alleinerziehenden Mutter – gibt, die einen Auslandseinsatz unmöglich machen. Diese Forderung mag zwar hart klingen, aber für das innere Gefüge der Truppe ist es besser, wenn diese Frage vor Eintritt in die Streitkräfte geklärt ist. Der Beruf des Soldaten ist ein „Beruf sui generis“ – auch für Soldatinnen.

Was bedeutet das nun konkret für Frauen im KSK? Entscheidend ist, daß es keine erleichterten Zugangswege für Frauen in die Kommandotrupps geben wird. Der Aufbau der „femininen Kompetenz“ ist unabhängig von der Auswahl und Ausbildung zum eigentlichen Kommandosoldaten. Diese steht nämlich bereits seit über zehn Jahren Soldaten beider Geschlechter offen. Die Anforderungen des Eignungstests für Kommandosoldaten im KSK sind dabei an den aktuellen Einsatzerfordernissen von Spezialkräften ausgerichtet. Es ist das härteste Auswahlverfahren, das unter Beachtung der Gesetze und der Menschenwürde möglich ist.

Im KSK wird es bei den Kommandotrupps mit vier Soldaten bleiben, die ein hartes Ausleseverfahren und eine mehrjährige Spezialausbildung durchlaufen müssen. Ihre Einsatzbedingungen sind physisch und psychisch extrem – sie riskieren permanent ihr Leben und schalten andere Leben aus, wenn dies unumgänglich ist. Sie retten Leben, wenn sie einen Anschlag auf unschuldige Menschen verhindern oder Führer der Aufständischen festnehmen.

Diese wiederholten Einsätze sind auch für hochqualifizierte Kämpfer und ihre Partner und Familien eine große psychische Belastung, zumal diese unter Umständen nicht wissen, wann, wo und wie lange die Kommandotrupps im Einsatz sind. Das KSK hat trotz seiner gefährlichen Einsätze bisher keine Gefallenen zu beklagen.

Gründe für die Erfolgsbilanz liegen in der Auswahl der Soldaten, ihrer mehrjährigen Ausbildung und ihrer sorgfältig ausgewählten Ausrüstung und Bewaffnung. Wie hart das Ausleseverfahren ist, haben mehrere Fernsehdokumentationen der Öffentlichkeit gezeigt. In Erinnerung bleibt der Anstieg an einem Berg, bei dem die Kandidaten einen schweren Holzklotz „ins Ziel“ tragen müssen. Trotz sorgfältiger Vorbereitung zur Verbesserung der physischen Fitneß sind die Durchfallquoten recht hoch.

Bereits heute dienen über 50 weibliche Berufs- und Zeitsoldaten bei den Unterstützungskräften im KSK. Da das KSK über besondere Waffen und Ausrüstungsgegenstände verfügt, die in der Bundeswehr sonst nicht vorhanden sind, muß es eng mit den Herstellern zusammenarbeiten. Vom Schlafsack bis zum Spezialhandschuh reicht die Ausrüstung, die unter Einsatzbedingungen erprobt wird. In diesem Unterstützungsbereich leisten Frauen einen wichtigen Beitrag zur Einsatzbereitschaft des KSK.

Das entscheidende Argument für die Erweiterung der femininen Komponente ist die Verbesserung der Einsatzbedingungen für die Kommandotrupps. Bei Kampfeinsätzen – unabhängig von den Isaf-Truppen – geht es um die Aufklärung der Taliban und der al-Qaida sowie potentieller Attentäter und deren Ausschaltung. Die Aufklärung verlangt Geduld und hervorragende Sprachkenntnisse. Insbesondere die Gesprächsaufklärung spielt eine entscheidende Rolle. Hier kommen Frauen ins Spiel. Die Bevölkerung in Afghanistan besteht ungefähr zur Hälfte aus Frauen. Gespräche mit diesen Frauen sind für Männer tabu. Damit geht ein großer Teil möglicher Aufklärungsergebnisse verloren. Dieses Potential soll durch weibliche Aufklärer verbessert werden.

Eine wesentliche Voraussetzung für eine Gesprächsaufklärung sind die Sprachkenntnisse des Einsatzraumes, körperliche Fitneß, psychische Belastbarkeit sowie profunde kulturelle Kenntnisse. Diese Fähigkeiten müssen Frauen in einem Ausleseverfahren nachweisen, das in den physischen Anforderungen auf die weiblichen Fähigkeiten angepaßt worden ist. So wird bei Soldatinnen der berühmte Holzklotz in der Eignungsprüfung fehlen. Nach dem bestandenen Auswahlverfahren durchlaufen die Soldatinnen neben der Sprachausbildung eine spezielle militärische Ausbildung, bevor sie eingesetzt werden können.

Um Mißverständnisse zu vermeiden: Eine Ausbildung zur Scharfschützin ist nicht vorgesehen. Mit dem Einsatz von Frauen in der Aufklärung vor Ort kann der Vorteil der einheimischen Terroristen hinsichtlich Geländekenntnissen und der Stimmung in der Bevölkerung verringert werden.

 

Dieter Farwick, Jahrgang 1940, Brigadegeneral a. D., leitete zuletzt die Operationsabteilung im Nato-Hauptquartier Europa Mitte. Der Chefredakteur des Online-Journals Worldsecuritynetwork.com hat mehrere Sachbücher verfaßt.

Dieter Farwick:  Wege ins Abseits. Wie Deutschland seine Zukunft verspielt, Osning Verlag, Garmisch-Partenkirchen 2012, gebunden, 336 Seiten, 24,60 Euro

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