© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/12 25. Mai 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Widerstand im Mai
Christian Schwiesselmann

Zwei gepanzerte Limousinen stehen am Berliner Tiergarten, die Fahrer haben gelangweilt die Tür geöffnet, um etwas Mai-Sonne zu tanken. Drinnen sind die Ränge gefüllt. Ein paar Uniformträger, ansonsten die immergleichen grauhaarigen Dauergäste: Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zum Vortrag über den deutschen Widerstand geladen. „Mit der Kraft des Gewissens und dem Mut zur Verantwortung – Die Botschaft des Widerstands vom 20. Juli für heute“, lautet das Motto. Und das schon am 15. Mai. Hätte Stauffenberg die Bombe in der Wolfschanze am 15. Mai und nicht erst am 20. Juli 1944 gezündet, wer weiß?

Gert Pöttering, der joviale KAS-Vorsitzende und ehemalige EU-Parlamentspräsident, überschlägt sich bei der Würdigung der Familie de Maizière: der seltene Fall, wo der Sohn den Vater überrage, weil Verteidigungsminister doch „ranghöher“ als Bundeswehrgeneral sei. Berufspolitikerlogik. Thomas de Maizière wirkt abgekämpft. Die Pathetik eines Henning von Tresckow, den er immer wieder zitieren wird, geht ihm ab. Mit tiefer, sonorer, aber gleichförmiger Stimme liest de Maizière vor, was den Redenschreibern zum Thema eingefallen ist.

Natürlich das bekannte Diktum Tresckows: „Das Attentat muß erfolgen, coûte que coûte. Sollte es nicht gelingen, so muß trotzdem in Berlin gehandelt werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, daß die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat.“ Kein Manifest, kein Gedicht, kein großer Plan, sondern die Tat habe sichtbar gemacht, daß es auch das andere Deutschland gab, betonte der Minister die Entschlossenheit des Widerstandskreises. Während dieser unter den Extrembedingungen totalitärer Herrschaft handelte, seien wir heute „Bürger in einer freien Welt“, die keine Verfolgung, sondern höchstens Ablehnung befürchten müßten. Zu viele führten das Wort „Widerstand“ voreilig auf den Lippen, meint der Vertreter einer „alternativlosen“ Kinderbetreuungs-Kampf-gegen-Rechts-Euro-Rettungspolitik.

Die 32 Minuten Politik-Sprech sind trotzdem erträglich, weil de Maizière sieben „handfeste Maßstäbe“ aus dem Ideal des 20. Juli für das heutige Politikerdasein entwickelt. Durch die floskelhafte Fügung „Freiheit in Verantwortung“ schimmert eine unaufgeregte Haltung hindurch, die den hölzernen Hugenotten-Nachfahren zumindest teilsympathisch werden läßt: 1) Grundsätzlich werden sollte man nur, wenn es um Grundsätze geht. 2) Das Bewußtsein für die Grenzen menschlichen Handels wachhalten. 3) Die Folgen bedenken. 4) Die Gegenwart im Blick, die Zukunft im Sinn und die Vergangenheit im Hinterkopf. 5) Grundsätze im Großen, Sachkenntnis im Kleinen. 6) Machbarkeit prüfen. 7) Mehr als alle Worte sagt die Tat. „Am Ende einer politischen Bilanz werden nicht Erklärungen gezählt, schon gar nicht Presseerklärungen, sondern Entscheidungen und Taten“, so de Maizière. Damit setzt sich der Minister ungewollt auch eigene Maßstäbe.

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