© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/12 25. Mai 2012

Ticket für die Titanic im Angebot
Referendum über den EU-Fiskalpakt: Mit einem Nein könnten die Iren die Euro-Rettungspläne durcheinanderwirbeln / Zustimmung ist aber wahrscheinlich
Daniel Körtel

Die Wahlen in Griechenland und Frankreich haben den Spardruck des EU-Fiskalpakts auf die Haushalte der Euro-Staaten deutlich vermindert. Nun soll am 31. Mai in Irland über das Vertragswerk selbst abgestimmt werden. Scheitert das Referendum, könnte der Fiskalpakt möglicherweise europaweit Schaden nehmen. Derzeit sieht es aber nicht danach aus, daß die irischen Wähler ihre Zustimmung verweigern könnten. Laut Umfrage im Auftrag des Irish Independent liegen die Befürworter mit 37 Prozent deutlich vor den Kritikern (24 Prozent), während sich 35 Prozent der Iren noch unentschlossen zeigen. Gerade die hohe Zahl der Unentschlossenen bereitet der Unterstüt-zergruppe – bestehend aus der irischen Regierungskoalition von bürgerlicher Fine Gael und Labour Party sowie der oppositionellen, nationalkonservativen Fianna Fáil – Kopfschmerzen. So rief Minister Brendan Howlin dazu auf, die Anstrengungen für die Ja-Kampagne zu verdoppeln.

Gegen den Vertrag opponiert ein von der Sinn Féin angeführtes Linksbündnis. Zwar ist es der linksnationalistischen Partei, die noch vor wenigen Jahren als politischer Arm der IRA der Paria des politischen Systems war, bislang nicht gelungen, die Stimmung gegen den Vertrag zu kippen. Aber ihre Kampagne fruchtet: In Meinungsumfragen rückte sie zur zweistärksten politischen Kraft auf. Als „fehlerhaft und unaufrichtig“ kritisierte die Irish Times die Behauptung des Parteichefs Gerry Adams, Irland werde auch bei einem Nein-Votum von den Ländern unterstützt, die sich an die Fiskal-Disziplin des Vertrags hielten.

In den 1980er Jahren habe das irische Volk auf die harte Tour lernen müssen, daß es so etwas wie „Freibier für alle“ nicht gebe. Für eine Überraschung sorgte der späte Einstieg des Unternehmers Declan Ganley mit seiner Denkfabrik Libertas in den Wahlkampf. 2008 trug seine Kampagne erfolgreich zum Scheitern des ersten Referendums zum EU-Vertrag von Lissabon bei. Ganley erklärte, es sei kein Nachteil für sein Land, wenn es durch die Ablehnung des Fiskalpakts von den Mitteln des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM abgeschnitten wäre, da ohnehin nicht genug Geld vorhanden sei, um jedes Land zu retten: „Das ist so, als würde ein Ticket für die Titanic angeboten und gesagt werden, wenn du jetzt nicht das Ticket bekommst, wirst du den Anschluß verpassen. Wir werden keinen Schaden daran nehmen, wenn wir dieses Boot verpassen.“

Seine Kritik an der Verhandlungsführung der irischen Regierung unterstrich Ganley öffentlichkeitswirksam mit einem Ratgeber für Pokerspieler, den er Ministerpräsident Enda Kenny schenkte. Dabei stellte er seine Zustimmung zum Fiskalpakt in einem zweiten Referendum für den Fall in Aussicht, daß Irlands enorme Bankschulden neu verhandelt würden und eine demokratische Rechenschaftspflicht europäischer Institutionen gewährleistet sei.

Doch solange nicht feststehe, welche Vorschläge Deutschland und Frankreich zur Lösung der europäischen Krise demnächst vorlegten, solle Irland seine Karten nicht aufdecken und vorerst mit „Nein“ stimmen. Insbesondere warnte Ganley vor den Bestrebungen des neuen französischen Präsidenten, die Steuern in Europa zu harmonisieren. Auch die niedrigen irischen Körperschaftssteuern wären dann passé.

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