© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/12 25. Mai 2012

Zeitschriftenkritik: Missy Magazine
Kleine Fräuleins
Ellen Kositza

Die Zeitschrift Emma hat nicht nur Schwestern, mit denen sie seit Jahrzehnten in Konkurrenz steht, jene Stricklieseln, Diätopfer, Klatschtanten und Hauptberufsmütter; da sind auch Töchter, mit denen sie sich notgedrungen abgeben muß. Die selbsternannten Alphamädchen mag Übermutter Emma genausowenig wie all jene, die naiv den Teufelspakt mit der Männerwelt eingegangen seien. Darunter zählen so unterschiedliche Sprößlinge wie Kristina Schröder und Charlotte Roche. Gut gelitten hingegen sind die Redakteurinnen von Missy. Das 2008 von drei Damen im Alter von Alice Schwarzers nicht vorhandenen Töchtern gegründete Magazin heißt zwar zu deutsch „Kleines Fräulein“, aber das ist ein koketter Spaß. Mittlerweile verzichtet das vierteljährlich im Selbstverlag erscheinende Missy Magazine auf den Untertitel „Popkultur für Frauen“ und erscheint nach eigenen Angaben in einer Auflage von 20.000 Stück. Die aktuelle Ausgabe rühmt per Titel die „queere“ dickleibige Sängerin Beth Ditto, eine Galionsfigur der homosexuellen und„transidenten“ Szene, die Mama Emma schon vor Jahren als Rollenvorbild ausgerufen hat. Während Emma eine von hunderterlei frustrierenden Erfahrungen gequälte Leserin ins Auge faßt, richtet sich Missy an ein weiblich-urbanes Hipster-Publikum, dem man nicht lang erklären muß, was ein Cruiserboard ist, was postgender meint und für die solche Netzseiten wie ihollaback.org hilfreich sind, auf denen Fräulein krasse Geschichten von möglicherweise sexuell konnotierter Straßenanmache mitteilen und Handyfotos von den armen „Idioten“ hochladen können.

Die nach eigenem Bekenntnis begeistert „politisch korrekten“ Fräulein geben sich als das, was man im feministischen Diskurs „sexpositiv“ nennt. Was bedeutet, daß in der eigenen Rubrik „Untenrum“ auch Vibratoren für Frauen getestet und die neuesten Sexbücher vorgestellt werden, und daß über sogenannte One-Night-Stands geredet wird wie andernorts über Verdauungsvorgänge. Einige Artikel lesen sich interessant, etwa das Dossier über Körperhaarmoden oder die Einblicke in das Geschlechterverständnis der Piratenpartei. Deren Bundesvorständlerin Julia Schramm wünscht die „Dekonstruktion des sozialen Geschlechts. Ob Mann, Frau, transsexuelles Eichhörnchen – das darf bei der Bewertung und Erwartung der Menschen keine Rolle mehr spielen.“ Mit einer Frauenquote tun sich die Piraten auch deshalb schwer, weil das Geschlecht der Mitglieder nicht erhoben wird. Eine weitere Piratin, Web-Entwicklerin und wie Schramm Mitglied im genderpolitischen „Kegelklub“ innerhalb der Partei, beklagt, daß nur schleppend wahrgenommen werde, daß man sich längst nicht nur um technikaffine Männerthemen kümmere. Jene Frau Nofftz war einst als Mann zu den Piraten gestoßen, heute engagiert sie sich dort als „Heterofrau“ – so kann’s gehen! Selbstverständlich denken die Jungfeministinnen auch global, deshalb handeln weitere Beiträge von Mädchenliebe im Iran und kostenlosen Damenhygieneartikeln in Uganda.

Kontakt: Missy Magazine UG & Co. KG, Oranienburger Str. 91,10178 Berlin. Das Einzelheft kostet 4,50 Euro. http://missy-magazine.de

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