© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/12 25. Mai 2012

Reichsadler und Paradiesvogel
Vom Kaiser genehmigt: Die Geschichte der Wappen und Flaggen in Deutschlands Kolonien
Volker König

Die Quellenlage zur Flaggen- und Wappenkunde der deutschen Kolonien ist äußerst dünn und die Sekundärliteratur dürftig. Um so erfreulicher ist das vorliegende Buch. Es bietet neben vielen bisher unveröffentlichten Fotos und heraldischen Farbabbildungen einen guten Einblick in die Fülle der Flaggen von Zoll- und Postverwaltungen, von kolonialen Handelsgesellschaften und deutschen Vereinen in den Schutzgebieten.

Auch die Anfänge der Entwicklung kommunaler Wappen werden behandelt; so erfährt der Leser, daß die im Ersten Weltkrieg durch die Abwehr der britischen Landung bekannt gewordene Stadt Tanga im April 1914 als erste Kommune im gesamten Kolonialgebiet ein eigenes Stadtwappen erhielt.

Daß es tatsächlich Entwürfe für eigene Wappen und Flaggen der deutschen Kolonien gab, gehört zu den unbekanntesten Kapiteln der Geschichte. Sie sind das Werk von Wilhelm Solf, einem Indologen, der 1900 zum Gouverneur von Deutsch-Samoa berufen wurde.

Nachdem er 1911 zum Staatssekretär im Reichskolonialamt avancierte, unterbreitete er im November 1913 dem deutschen Kaiser den Vorschlag, Wappen und Flaggen für die einzelnen Schutzgebiete einzuführen, was bei Wilhelm II. spontane Zustimmung fand. Solf legte im Januar 1914 dem Präsidenten der Deutschen Kolonialgesellschaft, Johann Albrecht Herzog zu Mecklenburg, erste Entwürfe vor.

Die Wappen der einzelnen Schutzgebiete besaßen als verbindendes Element die Kaiserkrone und den Reichsadler, unter denen sich im Wappenschild landestypische Naturmotive befanden: Für Deutsch-Ostafrika war dies beispielsweise ein Löwenkopf, für Deutsch-Südwest ein Ochsenkopf, für Samoa Kokospalmen und für Kaiser-Wilhelm-Land (Deutsch-Neuguinea) ein Paradiesvogel. Die Flaggen der Kolonien waren Schwarz-Weiß-Rot mit dem jeweiligen Wappen in der Mitte. Zwei Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden die Wappenentwürfe von Kaiser Wilhelm II. genehmigt.

Die Kriegsereignisse sorgten dafür, daß es zu keinen Ausführungen mehr kam und die Wappen und Flaggen in Vergessenheit gerieten. Erst im Februar 1933 konnte Solf sie in der Kolonialzeitung Afrika-Nachrichten in farbigem Druck präsentieren. Da den Schutztruppen und Polizeieinheiten eigene Truppenfahnen fehlten, bedienten diese sich zumeist der Reichsflagge, der Reichsdienstflagge oder der Reichskolonialfahne. Eine Ausnahme bildete lediglich das Pachtgebiet Kiautschou in China, wo das III. Seebataillon stationiert war. Die Einheiten des Araber-Korps in Deutsch-Ostafrika führten daneben als Erkennungszeichen die „Grüne Fahne des Propheten“.

Letzteres mag, ebenso wie die für diese Kolonie geltende eigene Währung der „Deutsch-Ostafrikanischen Rupie“, eine interessante Konzession der deutschen Kolonialpolitik an die guten Beziehungen zum arabischen und indischen Raum gewesen sein.

Jörg M. Karaschewski: Wappen und Flaggen in den deutschen Kolonien. Melchior Verlag, Wolfenbüttel 2011, gebunden, Abbildungen, 158 Seiten, 19,95 Euro

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